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Noch lange nicht aufgearbeitet
Warum die Worte von Horst Seehofer zum NSU-Komplex ein Hohn sind
Zumindest der noch geschäftsführende CSU-Bundesinnenminister Horst Seehofer ist mit seiner Arbeit zufrieden. »Der NSU-Komplex wurde aufgearbeitet«, verkündete der Politiker angesichts des anstehenden zehnten Jahrestags der Selbstenttarnung der rechten Terrorgruppe. Handlungsempfehlungen an die Behörden seien »weitestgehend umgesetzt« und die zu klärenden Verbindungen in 13 Untersuchungsausschüssen durchleuchtet. Zwar sei es nicht möglich gewesen, alle Fragen restlos zu beantworten, aber – so sind seine Worte zu übersetzen – niemand sei perfekt und man müsse ja nun auch mal nach vorne schauen.
Man könnte dies als Selbstbeweihräucherung eines baldigen Rentners oder Aufsichtsrats abtun. Als ein typisches Ignorieren von strukturellen Problemen, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Und doch würde man damit weder dem Schmerz der Hinterbliebenen noch den Aufklärungsbemühungen engagierter Antifaschisten, Politiker und Journalisten gerecht, wenn man diese Worte einfach abtut. Sie sind der Versuch, per Amtshandlung das Sprechen über den institutionellen Rassismus und die Verflechtungen von organisierten Neonazis und Sicherheitsbehörden zu unterbinden. Sie sind ein Hohn angesichts der Toten, gegenüber deren Angehörigen, Freunden.
Dank einer kritischen Zivilgesellschaft und Gruppen wie »NSU Watch« wurde mittlerweile tatsächlich einiges seit 2011 gelernt. Zahlreiche Fragen bleiben dagegen weiterhin offen – etwa zu der Rolle des V-Mannes »Primus«, zum Nürnberger »Taschenlampenanschlag«, zu den blinden Flecken einer Linken, die die Tragweite der Anschläge zuerst nicht erkannte. Die bitterste Erkenntnis: Ernsthafte Konsequenzen blieben bis heute aus, in der Großen Koalition gab es vor allem Kosmetik und schöne Worte. Die Opfer des NSU haben etwas Besseres verdient.
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