Das Virus auf Arbeit

Ulrike Henning über betriebliche Verantwortung in der Pandemie

Genau vor einem Jahr ging man von maximal 45 Prozent der Beschäftigen aus, die ganz oder teilweise im Homeoffice arbeiteten. Eine Mehrheit konnte oder kann das bis heute nicht. Verständlich, dass hier Unternehmen in die Pflicht genommen werden, was Infektionsschutzmaßnahmen betrifft. Wie eine Umfrage der Hans-Böckler-Stiftung zeigt, steigt jetzt jedoch der Anteil derer deutlich, die sich Sorgen wegen einer Ansteckung am Arbeitsplatz machen. Im November waren es 30 Prozent, in den Vormonaten kaum über 20 Prozent. Besonders hoch waren die Sorgen in Verkaufsberufen sowie den Bereichen Gesundheit und Pflege sowie Soziales, Bildung und Erziehung.

Nur ein Teil dieser Beschäftigten kann einfach ausweichen, zum Beispiel ins Homeschooling oder andere Onlinevarianten. Hinter der wachsenden Sorge dürfte nicht nur Unverständnis für impfunwillige Zeitgenossen stehen, sondern eben auch fehlendes Vertrauen in betriebliche Schutzkonzepte.

Die mangelnde Zuversicht hat mehrere Ursachen: Zum einen wurden mögliche Ansteckungen am Arbeitsplatz in der Pandemie eher selten thematisiert. Vor allem das »produzierende Gewerbe« mit acht Millionen Beschäftigten hierzulande blieb meist ausgespart, von einigen Ausreißern abgesehen, etwa den Schlachthöfen. Zum anderen lag und liegt der Schwerpunkt der Appelle (neben der Impfaufforderung) wieder bei Aufrufen an Individuen, ihre Kontakte zu reduzieren. Damit sind eher Familie und Freizeit gemeint. Es gibt aber hierzulande jede Menge Arbeitsplätze, an denen Kontakte unvermeidlich sind. Dort verbringen Menschen acht Stunden am Tag und mehr. Auch sie haben ein Recht darauf, gesund zu bleiben. Vernünftiges Verhalten einzelner ist notwendig zur Eindämmung der Ansteckungen – Lohnarbeit darf pandemiepolitisch aber kein blinder Fleck sein. Das Coronavirus macht am Betriebstor nicht halt, nur weil darüber zu wenig gesprochen wird.

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