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Impfpflicht auf dem Weg
Der Bundestag hat über erneute Änderungen des Infektionsschutzgesetzes beraten
Die lange Zeit von der Politik ausgeschlossene Impfpflicht ist nun auf dem parlamentarischen Weg: Am Dienstag diskutierte der Bundestag in erster Lesung über einen Gesetzentwurf der künftigen Ampel-Regierungsparteien zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes, der zunächst eine Impfpflicht für die Beschäftigten bestimmter Einrichtungen und Unternehmen vorsieht. Im Gesetzentwurf, der vom Plenum im Anschluss an die Debatte in den Hauptausschuss überwiesen wurde, wird eine ganze Reihe betroffener Arbeitsstätten vornehmlich aus dem Gesundheits- und Pflegebereich aufgelistet - von Krankenhäusern, Vorsorge-, Rehabilitations- und Entbindungseinrichtungen (einschließlich freiberuflich tätiger Hebammen) über Arztpraxen jeglicher Art bis zu den Rettungsdiensten, Alten- und Pflegeheimen sowie den ambulanten Pflegediensten.
Sollte das Gesetz am kommenden Freitag zunächst im Bundestag und anschließend im Bundesrat beschlossen werden, haben die betroffenen Beschäftigten bis zum 15. März 2022 Zeit, ihrem Arbeitgeber entweder einen Impfnachweis, einen Genesenennachweis oder »ein ärztliches Zeugnis darüber, dass sie aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft werden können« wie es im Gesetzentwurf heißt, vorzulegen. Ab dem 16. März 2022 haben Personen, die eine Arbeit in den genannten Einrichtungen und Unternehmen aufnehmen wollen, ihrem Arbeitgeber vorher einen Impfnachweis vorweisen. Angesichts der derzeitigen hohen Nachfrage nach Impfterminen und dem bei den mRNA-Impfstoffen notwendigen Abstand zwischen Erst- und Zweitimpfung haben die Betroffenen damit nun gut drei Monate Zeit, sich noch impfen zu lassen.
Beschäftigte, die der Nachweispflicht nicht nachkommen, sind dem Gesetzentwurf zufolge vom Arbeitgeber an das zuständige Gesundheitsamt zu melden. Dieses kann einem Beschäftigten, der auch gegenüber dem Gesundheitsamt keinen Nachweis erbringen will, unter anderem das Betreten der Einrichtung oder des Unternehmens verbieten oder auch untersagen, dass sie »in einer solchen Einrichtung oder einem solchen Unternehmen tätig wird«.
Im Bundestag verteidigten SPD, Grüne und FDP die geplante Impfpflicht, die laut Gesetzentwurf darauf abzielt, besonders gefährdete Personengruppen wie Alte und Menschen mit Behinderung, die ein erhöhtes Risiko für schwere Covid-Krankheitsverläufe haben, zu schützen. Die SPD-Gesundheitsexpertin Sabine Dittmar - wie am Dienstag bekannt wurde, wird sie Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium - etwa erklärte, die Impflicht sei ohne Frage ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit der Beschäftigten. Aber »auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit der Schwachen und Hilfsbedürftigen ist ein Grundrecht«, so Dittmar. Diese könnten sich nicht aussuchen, wer sie versorge und müssten sich darauf verlassen können, dass nicht Gefahr für ihre Gesundheit drohe.
Neben der Impflicht sieht der Gesetzentwurf, mit dem das erst kürzlich von den Ampel-Fraktionen geänderte Infektionsschutzgesetz erneut angepasst werden soll, zur Beschleunigung der Impfkampagne vor, dass auch Tierärzte, Zahnärzte und Apotheker mit entsprechender Qualifikation Corona-Impfungen durchführen dürfen. Zudem sollen die Bundesländer wie von diesen gefordert wieder mehr Einschränkungsmöglichkeiten bekommen. So sollen erneut die Schließung von Restaurants, Kultur- und Freizeiteinrichtungen, die Absage von Kongressen und Messen sowie von Sportveranstaltungen mit einem größeren Publikum ermöglicht werden.
Für die Union übte Fraktionsvize Stephan Stracke (CSU) an den Vorhaben scharfe Kritik. Dabei allerdings weniger an den Maßnahmen selbst denn an der Tatsache, dass die Ampel-Fraktionen innerhalb kurzer Zeit nun bereits eine zweite Neufassung des Infektionsschutzgesetzes vorgelegt hätten. »Sie versuchen, Lücken zu schließen, die sie selbst aufgerissen haben«, sagte Stracke. »Das ist zu spät, das ist zu wenig.« Stattdessen sollte vom Bundestag wieder die epidemische Lage von nationaler Tragweite festgestellt werden. Janosch Dahmen, Gesundheitsexperte der Grünen, bezeichnete die Kritik der Union als »beschämend«. Die Union habe es im Sommer selbst versäumt zu handeln. Sich jetzt hinzustellen und zu sagen, andere seien schuld, helfe niemandem weiter, so Dahmen.
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