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Mutterschaft in Marokko

Ein intimer Blick auf zwei Frauen und ein Mädchen: In »Adam« erzählt Maryam Touzani von einer neuen Freundschaft unter widrigen Umständen in Casablanca

  • Isabella A. Caldart
  • Lesedauer: 3 Min.
Ohne große Worte in der Küche: Die Kamera konzentriert sich auf die Emotionen.
Ohne große Worte in der Küche: Die Kamera konzentriert sich auf die Emotionen.

Als die hochschwangere Samia (Nisrin Erradi) an ihrer Tür in einer ruhigen Straße in Casablanca klingelt und nach Arbeit sucht, schickt Abla (Lubna Azabal) sie weg. Abla hat weder Zeit, sich um Samia zu sorgen, noch die emotionale Kapazität für andere Schicksale als ihres. Nach dem Tod ihres Mannes muss sie sich alleine um ihre aufgeweckte Tochter Warda kümmern und steht zudem den ganzen Tag in ihrer improvisierten Bäckerei, ihrer Küche, in der sie Fladenbrote durchs Fenster verkauft.

Als sie später durch ihr Küchenfenster aber sieht, wie Samia Anstalten macht, in einem Türeingang gegenüber von Ablas Wohnung zu schlafen, gewährt sie der jüngeren Frau einige Tage Unterschlupf. Während Abla so gut wie keine Worte an Samia verliert, schließt die achtjährige Warda (Douae Belkhaouda) sie sofort ins Herz. Und Samia bemüht sich, so viel wie möglich in der Bäckerei zu helfen und backt das Brot Rziza, dessen Zubereitung nicht so einfach ist - um ihre Dankbarkeit zu zeigen, aber auch, um sich unverzichtbar zu machen.

Gibt man nur den Plot wieder, klingt der marokkanische Film »Adam« nach einer klischeebeladenen Story. Stimmt aber keinesfalls. »Adam« ist weder zuckersüß noch zu schwergängig, der Blick von Regisseurin Maryam Touzani ist frei von Sentimentalitäten, aber intim, in den Szenen des Brotbackens fast sinnlich. Es ist ihr erster Spielfilm. Sie versucht nicht, das Publikum zu manipulieren und große Gefühle zu evozieren, sondern erzählt ruhig und subtil von weiblicher Solidarität, Mutterschaft, Schmerz und Scham. Obwohl im Halbschatten und in erdigen Tönen gehalten, ist »Adam« visuell beeindruckend durch das Spiel mit Licht und durch die Bilder. Die Kamera bleibt ganz nah bei den drei Protagonistinnen und konzentriert sich auf ihre Emotionen. Es sind fantastische Schauspielerinnen ohne pompöse Gesten - das Drama spielt sich im Stillen ab.

Samia, die um ihre Position als unverheiratete Frau im stark patriarchalisch geprägten Marokko weiß, will das Kind nach der Geburt zur Adoption freigeben, um unbescholten in das Dorf ihrer Eltern zurückkehren zu können, während Abla versucht, sie umzustimmen. Von dieser Geburt abgesehen ist der Film ohne Drastik oder Überraschungen.

Es geht um die Beziehung von Samia, Abla und Warda und nichts anderes. Allen Widerständen von Abla zum Trotz entwickelt sich langsam eine Freundschaft zwischen den Frauen, die auf große Worte verzichten. Ihre Beziehung ist vielmehr durch das gegenseitige Erkennen der Kämpfe der jeweils anderen geprägt. Samia ist dabei nicht auf die Rolle der dankbaren Frau reduziert. Vielmehr bringt sie Abla an ihre Grenzen, zwingt sie, sich endlich mit dem Tod ihres Mannes auseinanderzusetzen. Im Fokus ist die Wohnung von Abla ein Zufluchtsort vor der feindlichen Welt draußen, deren Mauern zugleich aber auch eine Einschränkung bedeuten.

Premiere feierte »Adam« bereits 2019 in der Reihe »Un Certain Regard« bei den Filmfestspielen von Cannes, 2020 schickte Marokko den Film als Oscarkandidat ins Rennen (am Ende wurde er leider nicht nominiert). Er lief 2019 des Weiteren auf verschiedenen internationalen Filmfestivals und wurde in Kairo, Palm Springs und Chicago ausgezeichnet. Jetzt kommt er mit einiger Verspätung endlich auch in die deutschen Kinos.

»Adam«: Marokko/Frankreich 2019. Regie und Buch: Maryam Touzani. Mit: Nisrin Erradi, Lubna Azabal, Douae Belkhaouda, Aziz Hattab, Hasnaa Tamtaoui. 98 Min. Kinostart: 9. Dezember

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