• Berlin
  • Polizeigewalt am 1. Mai in Berlin

Keine Ahndung von Polizeigewalt

Finanzverwaltung weist Schmerzensgeldforderung von Journalistin zurück

  • Lola Zeller
  • Lesedauer: 3 Min.

Die junge Fernsehjournalistin Lea Remmert verzweifelt am Rechtsstaat. »Ich bin fassungslos, dass sie mich einfach so abspeisen«, sagt sie zu »nd«. Remmert hatte vom Land Berlin Schadens- und Schmerzensgeld in einer Höhe von 10 000 Euro gefordert, weil sie nach eigener Darstellung während ihrer Arbeit als Journalistin von einem Berliner Polizisten mit der Faust ins Gesicht geschlagen wurde. Die Forderung wurde nun abgelehnt.
Der Vorfall, auf den sich Remmert bezieht, ereignete sich am 1. Mai 2020, als die Journalistin mit einem Kamerateam den Polizeieinsatz in Kreuzberg dokumentierte. Weil das Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung im Amt aber eingestellt wurde, sei der Fall einer Amtshaftung für das Land Berlin nicht gegeben, so die Finanzverwaltung am 8. Dezember in einem Schreiben an Remmerts Anwalt, das »nd« vorliegt.

Das Verfahren sei vor etwa einem halben Jahr eingestellt worden, weil der Täter nicht ausfindig gemacht werden konnte, sagt Remmert. »Ich kann nicht glauben, dass da keiner was gesehen haben will.« Schließlich seien viele Polizeieinheiten vor Ort gewesen, einige Beamt*innen hätten nach dem Angriff auch Erste Hilfe geleistet. »Auf Videoaufnahmen in der Ermittlungsakte ist zu sehen, wie mir ein Berliner Polizist gezielt ins Gesicht schlägt«, sagt Remmert. Die Folgen für die damals 22-Jährige: Prellungen, zwei dauerhaft geschädigte Schneidezähne und Angst vor der Polizei. Selbst wenn der Täter nicht gefunden werden könne, sei das Land verantwortlich für Handlungen der Berliner Polizei im Amt und müsse für den Schaden aufkommen, so die Journalistin.
Auf nd-Anfrage heißt es von der Finanzverwaltung, dass nach Erkenntnissen aus der Ermittlungsakte nicht davon auszugehen sei, dass es sich um eine vorsätzliche oder fahrlässige Tat des Polizisten gehandelt habe. »Der Polizeibeamte war im Zuge der als unübersichtlich und hektisch beschriebenen Situation in die Kabel der Tonanlage verheddert, welche von der verletzten Journalistin getragen wurden«, so Sprecher Alexis Demos.

Remmert will nun zivilgerichtlich gegen die Zurückweisung vorgehen, denn allein der finanzielle Schaden durch die erlebte Gewalt sei beträchtlich: »Ich habe jetzt schon Zahnarztkosten von knapp 1000 Euro, und zur Rettung meiner Schneidezähne werden perspektivisch Implantate nötig sein«, sagt sie. Doch auch der Rechtsstreit kann teuer werden. Remmert rechnet im schlimmsten Fall mit bis zu 20 000 Euro Kosten. »Wenn ich den Prozess verliere, kann ich mir das finanziell einfach nicht leisten«, sagt sie.
Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (DJU) Berlin-Brandenburg rät dazu, sich an Organisationen zu wenden, die Unterstützung bei »Klagen gegen Polizeigewalt« leisten, so Landesgeschäftsführer Jörg Reichel zu »nd«. Er empfiehlt außerdem, der Gewerkschaft Verdi beizutreten, denn für Mitglieder organisiere die DJU Beratungen und Einzelfallhilfe.

Unabhängig davon müsse sich strukturell etwas ändern, sagt Reichel: »Die einseitige Strafverfolgungspraxis der Staatsanwaltschaften, die geringe Anklagequote und hohe Einstellungsquote sind ein Problem. Politik, Justiz, Medien und Bevölkerung haben oft nur eine geringe Bereitschaft, polizeiliches Agieren zu hinterfragen.« Deshalb brauche es unabhängige externe Instanzen mit Ermittlungsbefugnissen zur Untersuchung von Körperverletzungen im Amt.

Lea Remmert sieht das genauso. »Bisher habe ich auf den Rechtsstaat und auch auf die Polizei vertraut, inzwischen nicht mehr«, sagt sie. Aufgeben möchte sie nicht. »Ich will nicht auf meinen Kosten sitzen bleiben und ich will mein Recht bekommen.«

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