Afrikaner rechtswidrig kontrolliert

Verwaltungsgericht Dresden gibt einem Migranten Recht, der juristisch gegen die Bundespolizei vorging

  • Michael Bartsch, Dresden
  • Lesedauer: 4 Min.

Begründet ein fremdartiges Aussehen von Mitbürgern schon einen Generalverdacht gegen sie? Der Gleichheitsgrundsatz des Artikels 3 Grundgesetz verbietet eigentlich eine Selektion nach äußeren Merkmalen etwa bei staatlichen Maßnahmen. Die als Racial Profiling verstärkt ins Bewusstsein rückende unterschwellige Diskriminierung von Migranten war jetzt auch Gegenstand eines Verfahrens am Verwaltungsgericht Dresden.

Das erklärte am Mittwoch eine gewaltsame Polizeikontrolle gegenüber einem Afrikaner in Chemnitz vom März 2018 für rechtswidrig. Beklagt war die ausführende Bundespolizei, die nun auch die Kosten des Verfahrens tragen muss. Eine Urteilsbegründung liegt noch nicht vor.

Nur sehr wenige Ausländer haben den Mut, sich auch juristisch gegen ihre Behandlung aufzulehnen. Innenpolitiker Albrecht Pallas von der sächsischen SPD-Landtagsfraktion, selbst ausgebildeter Polizist, hat das Dresdner Verfahren beobachtet. Nach seinen Informationen handelt es sich um das vorerst letzte von nur drei Verfahren bundesweit. Bereits im November 2020 erklärte ein Hamburger Gericht solche Identitätskontrollen ohne Anhaltspunkte einer Straftat für rechtswidrig. Ein Mann aus Togo hatte dagegen geklagt, auf St. Pauli immer wieder kontrolliert zu werden.

Ähnlich erging es dem aus Guinea stammenden jungen Afrikaner Elhadji B. in Chemnitz. 2016 kam er als Flüchtling nach Sachsen. 2018 lebte er in Burgstädt und fuhr täglich in die Schule und zur Berufsausbildung als Logistiker mit dem Zug nach Chemnitz. Ständig wurde er am Chemnitzer Hauptbahnhof von Polizisten kontrolliert, obschon man sich längst kannte, berichtet er von sich und seinem afrikanischen Freund. »Selbst wenn 100 Leute aussteigen, kommen die Polizisten nur zu uns«, klagt er. »Die wissen doch, dass ich nicht illegal hier bin und zur Schule fahre«, fügt er hinzu. »Immer werden nur wir gefragt, als ob wir negativ wären und kein Recht hätten, hier zwischen den anderen Leuten zu laufen!«

Gewaltsames Vorgehen der Polizei

Elhadji macht im Gespräch einen freundlichen und beherrschten Eindruck. Die Zeugenvernehmung vor der fünfköpfigen Kammer des Verwaltungsgerichtes Dresden verfolgte er diszipliniert und ohne emotionale Aufwallungen. An jenem 13. März 2018 aber könnte ihm bei einer erneuten Kontrolle am Bahnhof der sprichwörtliche Kragen geplatzt sein. Über die sich entwickelnde Konfrontation gehen die Schilderungen des Afrikaners und dreier beteiligter Bundespolizisten auseinander.

»Ich war nicht aggressiv, ich bin nicht explodiert, ich wollte nur wissen, warum wir kontrolliert werden«, erklärt Elhadji. Er habe das verlangte Zeigen des Ausweises mit der Beschimpfung »Du Rassist, ich habe keinen Ausweis« abgelehnt, behaupten hingegen die Polizisten. Sie waren zur Verstärkung am Hauptbahnhof eingesetzt, sollten laut Einsatzbefehl ohne besonderes Lagebild diesen lediglich inspizieren. Während der ebenfalls auf einer Bank mit ihm auf den Zug wartende Freund sein Aufenthaltsdokument hervorholte, weigerte sich Elhadji.

Was an Gewaltanwendung folgte, ist weitgehend unumstritten. Die Polizisten behaupten, der relativ kleine Afrikaner sei in Abwehrstellung gegangen, als er durchsucht werden sollte. Er wurde laut Aussage der Polizisten »mit Hebeltechnik irgendwie zu Boden gebracht«, gefesselt und bäuchlings ins Revier getragen. Weil er sich weiter wehrte, wurden ihm Fußfesseln angelegt. Ein Polizist will dabei selbst an der Hand verletzt worden sein. Sein Verfahren gegen den Afrikaner wegen Körperverletzung wurde aber eingestellt. Er habe das Bewusstsein verloren, berichtet Elhadji. Währenddessen fanden die Beamten in seinem Rucksack das gültige Aufenthaltsdokument. Nach der Entlassung sei es ihm schlecht gegangen, er habe unter Atemnot gelitten, schildert der Afrikaner. Deshalb habe ihn ein gerufener Krankenwagen ins Krankenhaus gebracht.

Elhadji B. wandte sich an die Opferberatung RAA in Sachsen und an die auch überregional bekannte Anwältin Kati Lang und klagte gegen die Bundespolizei. Die hat in Sachsen ihren Sitz in Pirna, weshalb das Verwaltungsgericht Dresden zuständig ist. Sie erwarte vom Verfahren eine Klärung, nach welchen Kriterien lage- und verdachtsunabhängige Personenkontrollen wie in diesem Fall vorzunehmen sind, sagte die Anwältin noch während der Zeugenvernehmung. Das habe bislang noch kein Beamter erläutern können.

Wie das Gericht das Verhalten der insgesamt vier beteiligten Beamten im Einzelnen bewertet, muss noch abgewartet werden. SPD-Innenpolitiker Albrecht Pallas betonte bereits die Wichtigkeit genauer Dokumentation solcher strittigen Vorgänge bei der Polizei. Vom Urteil werde eine Signalwirkung dafür ausgehen, was als Racial Profiling erkannt wird. Das müsse wiederum Auswirkungen auf die Aus- und Fortbildung der Polizeibeamten haben.

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