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  • Linke in Brandenburg will Kulturpolitik stärken

Kulturlinke vernetzen sich

In Brandenburg bildet sich eine neue Landesarbeitsgemeinschaft der sozialistischen Partei

Für Schriftsteller ist die Coronakrise noch einmal eine ganz besondere Katastrophe gewesen. Lesungen sind ausgefallen und der Buchhandel brach dramatisch ein, weil es zunächst einen großen Durst nach Nachrichten gab und die Leute erst einmal mehr Zeitungen lasen und weniger Bücher kauften. Doch die Potsdamer Autorin Sophie Sumburane hatte Glück. Sie arbeitete bereits in Teilzeit als Referentin der Linksfraktion im Brandenburger Landtag und konnte auf eine volle Stelle gehen.

»Ich bin und bleibe Schriftstellerin«, betont die 34-Jährige jedoch. »Mein nächstes Buch erscheint im Herbst.« Es werde ein Kriminalroman sein, der bei der Edition Nautilus herauskommt. Es ist bereits ihr dritter Krimi. Außerdem übersetzte Sumburane in der Vergangenheit Kurzgeschichten des neuseeländischen Schriftstellers Carl Nixon.

Für die Mutter von drei Kindern läuft es also annehmbar. Sie weiß jedoch, wie es anderen Autoren geht. Viele mussten sich früher schon Nebenjobs suchen, um finanziell klarzukommen, oder sich der Kunst neben der Erwerbsarbeit in ihrer Freizeit widmen - und dies sei nun noch viel öfter der Fall. Denn die 2500 Euro einmalige Corona-Hilfszahlung vom brandenburgischen Kulturministerium reichte natürlich nicht lange.

Für Sumburane ergibt sich daraus die Frage: Wie kann die Linkspartei den Künstlern helfen? Aber es geht auch umgedreht: Wie können die Künstler der Partei helfen, die im Moment eine Wahlniederlage nach der anderen einsteckt?

An diesem Montagabend um 18 Uhr will sich eine Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Kultur der brandenburgischen Linken gründen. Pandemiebedingt gibt es dazu ein Treffen per Videokonferenz. Wer sich dafür interessiert, soll sich per E-Mail melden.

»Kultur ist eine große Ressource«, begründet Sumburane die Initiative. »Kulturschaffende wollen die Welt um sich herum gestalten. Das möchte Die Linke auch. Für uns steht die Frage: Wir kann man den Gestaltungswillen der Kulturschaffenden mit unserem Gestaltungswillen verbinden?«

Den Wunsch, eine solche Arbeitsgemeinschaft ins Leben zu rufen, hegten Gerrit Große und Tobias Bank schon lange. Die ehemalige Landtagsabgeordnete Große ist von Beruf Lehrerin für die Fächer Deutsch und Musik. Bank, der für die Bundestagsfraktion arbeitet und im Bundesvorstand sitzt, sammelt in seiner Freizeit leidenschaftlich Münzen, Orden, Plakate und andere Dinge aus DDR-Produktion und zeigt seine Stücke in verschiedenen Ausstellungen. Unabhängig von diesen beiden schwebte auch Sophie Sumburane und der Landtagsabgeordneten Isabelle Vandré eine solche Arbeitsgemeinschaft Kultur vor. Die vier haben zusammengefunden. Dazu sind noch der ehemalige Landtagsabgeordnete Marco Büchel und die frühere Fraktionsreferentin Karin Schröter gestoßen. Diese sechs haben die Gründung vorbereitet. Der Plan wurde Mitte Januar auf einem Landesparteitag vorgestellt. Danach meldeten sich noch zehn weitere Interessenten, darunter die Künstlerin Jossi Rücker.

Es werde darum gehen, kulturpolitische Strategien zu erarbeiten, erläutert Sumburane. Kultur gelte als freiwillige Leistung, bei der die Kommunen zuerst kürzen, wenn ihr Haushalt unter Druck gerät. Oft denke die Politik, die Kultur werde schon irgendwie mit weniger Fördermitteln auskommen. Das stimme ja auch. Die Kultur lebe davon, dass Künstler meist aus einem inneren Willen heraus arbeiten und nicht wegen des Geldes, das sie damit verdienen können. Trotzdem müsse das Überleben von Theatern, Kinos und Festivals gesichert werden.

Mindestens einmal im Monat wolle sich die Landesarbeitsgemeinschaft künftig treffen, um diese Dinge zu besprechen, kündigt Sumburane an. Zunächst werde es beim Gründungstreffen und vielleicht auch bei den nächsten Zusammenkünften darum gehen, das eigene Verständnis von Kultur zu definieren. Gehören da im weiteren Sinne Feminismus und Identitätspolitik mit hinein, oder verpflichte man sich einem engeren Begriff von Kultur, nennt die 34-Jährige ein Beispiel.

Nach ihrem Empfinden verlor Die Linke in den vergangenen Jahren ein wenig den Anschluss an die Kunstszene. Viele Künstler würden zwar nach wie vor linke Ansichten vertreten, sich aber eher zu den Grünen hingezogen fühlen. Als Beispiel dafür nennt Sumburane den bekannten Pianisten Igor Levit, den die Grünen in die Bundesversammlung zur Wahl des Bundespräsidenten delegiert haben.

Das sah einst deutlich anders aus. Viele Künstler fühlten sich sozialistischen Ideen verbunden. Man muss dafür nicht bis zu Bert Brecht oder Käthe Kollwitz zurückgehen. Man denke nur an den Musiker Rio Reiser, der sich 1990 der PDS anschloss und für sie Wahlkampf machte. Oder an den Schriftsteller Stefan Heym, der 1994 für die PDS einen Ostberliner Bundestagswahlkreis gewann und dann als 81-Jähriger Alterspräsident des Parlaments wurde. Oder an den Schauspieler Peter Sodann, der 2009 Kandidat der Linken für das Amt des Bundespräsidenten war. Viele Persönlichkeiten hat Gregor Gysi mit Charme und Intellekt angezogen. Zu ihm kommen sie heute noch: in seine Talkshow »Missverstehen Sie mich richtig« - aber nicht mehr in seine Partei.

Gründungstreffen LAG Kultur, 31. Januar, 18 Uhr; Kontakt: lag-kultur@dielinke-brandenburg.de

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