Werbung
  • Berlin
  • Lieferdienst Gorillas

Liefern first, Bedenken second

15.800 Euro Bußgeld für Lieferdienst Gorillas wegen Verstößen gegen Arbeitsschutz

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

Lieferdienste, die auf Fahrradkuriere setzen, nehmen es offensichtlich nicht so genau mit dem Schutz ihrer Beschäftigten. Deswegen hat das Berliner Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit (Lagetsi) bereits «wegen Verstoßes gegen das Arbeitszeitgesetz ein Bußgeld in Höhe von 15.800 Euro verhängt». Weitere Bußgeldverfahren seien anhängig, aber noch nicht abgeschlossen. Das geht aus der Antwort der Senatsarbeitsverwaltung auf eine Schriftliche Anfrage der Grünen-Abgeordneten Alexander Kaas Elias und Christoph Wapler hervor.

Laut einem Bericht des «Tagesspiegel» soll es sich bei dem Unternehmen, gegen das das hohe Bußgeld verhängt worden ist, um den Lebensmittel-Schnelllieferdienst Gorillas handeln. In dem Fall sei etwa die tägliche Maximalarbeitszeit überschritten worden, es habe keine Ruhepausen gegeben und gegen das Verbot von Sonn- und Feiertagsarbeit sei verstoßen worden, heißt es.

Legal, illegal, scheißegal. Lebensmittel-Lieferdienst Gorillas wegen Kündigungswelle weiter unter Druck

Gorillas habe sich seit seiner Gründung 2020 extrem schnell entwickelt und sei zu einem internationalen Unternehmen mit über 14.000 Mitarbeiter*innen gewachsen. «Seitdem haben wir viel dazugelernt und verbessern uns stetig», heißt es auf nd-Anfrage. Die angesprochenen Vorfälle hätten sich «vor über einem Jahr» ereignet. «Wir haben unmittelbar nach ihrem Bekanntwerden entsprechende Maßnahmen eingeleitet», so die Pressestelle. Man liefere nicht mehr an Sonn- und Feiertagen. Um die Arbeitszeiten besser überprüfen zu können, haben man zudem bereits im Frühjahr letzten Jahres ein neues Schichtplanungssystem eingeführt.

Beim Gorillas Workers Collective, der Selbstorganisation der Beschäftigten, zweifelt man auf Twitter an einer Läuterung des Unternehmens. Die Firma werde «weiter Rechtsbrüche begehen, bis sie enteignet oder gestoppt wird», schreibt die Beschäftigtenvertretung.

Grünen-Politiker Christoph Wapler verweist noch auf einen weiteren «bemerkenswerten» Aspekt: «Die hohe Zahl an Arbeits- und Wegeunfällen». 252 Arbeitsunfälle, 454 Betriebswegeunfälle und 82 Wegeunfälle auf dem Weg zur Arbeit haben Unternehmen mit Lieferdiensten, die bei der Berufsgenossenschaft für Handel und Warendistribution versichert sind, für Versicherte mit Wohnsitz in Berlin für das Jahr 2021 gemeldet. «Das ist kein Wunder bei dem Druck», sagt Wapler, der arbeitsmarkpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus ist, zu «nd». Er geht davon aus, dass es eine hohe Dunkelziffer bei den Unfällen gibt.

«Wir reden von guter Arbeit in allen Bereichen. Aber gerade bei dieser Plattformökonomie bildet sich eine prekäre Beschäftigung heraus, die allen Glitzerversprechen der Online-Welt widerspricht», konstatiert Wapler. «Es ist daher gut, dass das Lagetsi Kontrollen macht.»

Der Abgeordnete verweist auf die im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und Linke verabredete Stärkung der Behörde. Bis Herbst 2022 soll außerdem von der Senatsarbeitsverwaltung «ein Konzept für eine Informations- und Beschwerdestelle für Arbeitsschutz» erarbeitet und dem Abgeordnetenhaus vorgelegt werden, wie es im Koalitionsvertrag heißt.

Auch die Löhne sind Thema. Am vergangenen Freitag rief die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten zum Protest vor die Lieferando-Zentrale in Kreuzberg. «Die bundesweit rund 10 000 Beschäftigten des Marktführers Lieferando sollen künftig einen Stundenlohn von 15 Euro bekommen - und nicht länger, getrieben vom bisherigen Bonus-System, von Auftrag zu Auftrag hetzen müssen, so die Forderung.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal