Streit in Nepal um Abkommen mit USA

Die Gegner fürchten Auswirkungen auf die Beziehungen zu China und gehen auf die Straße

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 3 Min.

Seit Freitag halten die Proteste in den Straßen der Hauptstadt Kathmandu an. Reifenbarrikaden brennen, Polizei und Demonstrierende geraten aneinander. Erst ein Jahr ist es her, seit sich Nepals zwischenzeitlich wiedervereinte Kommunistische Partei (NCP) abermals entzweit hat und in mehrere alte und neue Teile zerfallen ist. In erstaunlicher Eintracht, kürzlich noch unvorstellbar, machen nun die verschiedenen Gruppen des linken Lagers - vorneweg die Jugendverbände der kommunistischen Parteien innerhalb und außerhalb der Regierung - mobil gegen die im Parlament anstehende Ratifizierung eines Entwicklungshilfeabkommens mit den USA. Diese muss laut den Regularien bis Monatsende erfolgen. Zu Wochenbeginn hatte der Parlamentsvorsitzende das Thema wegen der Auseinandersetzungen erst einmal von der Tagesordnung genommen.

Viereinhalb Jahre ist es her, seit im September 2017 in Washington das Abkommen zwischen der nepalesischen Regierung und der nominell unabhängigen Entwicklungsagentur Millennium Challenge Corporation (MCC) unterzeichnet wurde. Für Nepal nahm diesen Akt der damalige Finanzminister Gyanendra Bahadur Karki vor, der auch der erneut vom sozialliberalen Nepali Congress (NC) unter Premier Sher Bahadur Deuba geführten Koalition als Minister angehört.

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Von einem »neuen Kapitel« in den 70-jährigen Beziehungen zwischen beiden Ländern sprach der amtierende MCC-Vorstandschef Jonathan Cash bei seiner Unterschrift. Die MCC war 2004 vom US-Parlament gegründet worden, gilt als neuartiges Instrument in der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit mit einem Finanzvolumen von zehn Milliarden Dollar. Aus diesem Topf soll Nepal, das sich als erstes Land in Südasien qualifiziert hat, über einen Zeitraum von fünf Jahren 500 Millionen Dollar erhalten. 130 Millionen Dollar würde die Regierung Nepals beisteuern. Die damit 630 Millionen Dollar würden in erster Linie in den Energiesektor fließen.

Kernstück des Abkommens ist ein 300 Kilometer langes neues Hochspannungsnetz, mit dem Strom auch in bisher kaum versorgte Landesteile transportiert werden und so in ländlichen Regionen wirtschaftliches Wachstum ermöglichen soll. Noch immer sind im Himalayastaat Nepal, wo fast die Hälfte der Bevölkerung von weniger als drei US-Dollar pro Tag lebt, etliche Dörfer nicht einmal ans nationale Stromnetz angeschlossen.

Ein Transmissionsnetz, das mit dem MCC-Geld gebaut werden würde, soll zudem als zweites grenzüberschreitendes Leitungssystem den Energietransfer zwischen Indien und Nepal erleichtern. Ein weiterer Baustein des Abkommens sind Straßenbauprojekte, um abgehängte ländliche Regionen besser anzubinden und dort weitere, lokale Investitionen zu ermöglichen.

Washington betreibt aktive Lobbyarbeit für das Abkommen. Die US-Botschaft in Kathmandu hat auf ihrer Internetseite extra eine Erklärung zum MCC Compact eingefügt. Mit blumigen Worten wird nicht gespart: Von einem »neuen Modell für internationale Entwicklung, basierend auf Transparenz und echter Partnerschaft«, ist da die Rede. Überdies hat Donald Lu, Vize-Außenminister der Biden-Administration, Telefonate mit Premier Deuba, Pushpa Kamal Dahal (Maoist Centre) sowie Oppositionsführer KP Sharma Oli (Vereinigte Marxisten-Leninisten/UML) geführt. Die Drohung, die den Chefs der drei wichtigsten Parteien gemacht wurde: Geht die Ratifizierung nicht bis zum 28. Februar über die Bühne, sähen sich die USA gezwungen, ihre Beziehungen zu Nepal zu überdenken. Betont wird zwar allenthalben, das Abkommen habe keine militärische Komponente, orientiere sich auf wirtschaftliche Hilfe, dennoch sind die protestierenden linken Gruppen in Sorge, das Land könnte über MCC Compact indirekt in die Indo-Pazifik-Strategie (IPS) der USA, also den verstärkten globalen Machtkampf mit China, hineingezogen zu werden. Das Thema bietet auch Sprengstoff für Nepals fragile Regierungskoalition. Noch ist offen, ob es bis zum Stichtag eine Entscheidung gibt.

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