Nazis ziehen in den Krieg

Vertreter der extremen Rechten sind seit Jahren im Konflikt um die Ukraine involviert

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 5 Min.

Als Russlands Präsident Wladimir Putin vergangene Woche dem Militär den Befehl zum Angriff auf die Ukraine gab, einte diese folgenreiche Entscheidung innerhalb kürzester Zeit die Staaten der Europäischen Union. Weltweit gingen Millionen Menschen gegen den Krieg auf die Straße.

Von solcher Einigkeit kann innerhalb der extremen Rechten keine Rede sein. Zwischen historischem Antikommunismus einerseits und Bewunderung für den autoritär regierenden Machthaber im Kreml, Waldimir Putin, anderseits verläuft die Konfliktlinie, die sich seit Beginn der Kampfhandlungen deutlich zeigt. Während etwa die neonazistische NPD weiter zu Russland hält, stellt sich die Kleinstpartei »Der III. Weg« auf die Seite der Ukraine. Das hat wenig mit Solidarität mit den Opfern dieses Krieges zu tun, sondern viel mit der Tatsache, dass auf beiden Seiten extrem rechte Gruppen am Konflikt beteiligt sind. Insbesondere beim Kampf um die Ostukraine ist dies seit einigen Jahren der Fall.

Das Bundesinnenministerium ist deshalb mittlerweile wachsam geworden, wie aus einer Anfrage der Bundestagsabgeordneten Martina Renner (Die Linke) hervorgeht. Demnach hat das Ministerium die Bundespolizei angewiesen, bei »möglichen Reisebewegungen rechtsextremer Personen« genauer hinzuschauen. Die Befürchtung: Neonazis aus Deutschland könnten versuchen, in die Ukraine zu reisen, um dort am Kriegsgeschehen teilzunehmen. Die Bundespolizei solle deshalb im Verdachtsfall »intensive Kontrollmaßnahmen« vornehmen und »bei Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen Ausreisen« untersagen.

In der Anfrage erklärt das Bundesinnenministerium allerdings, dass es bisher »keine verifizierten Erkenntnisse« darüber habe, ob »zum gegenwärtigen Zeitpunkt Rechtsextremisten tatsächlich in die Ukraine oder nach Russland ausgereist sind, um dort aktiv an Kampfhandlungen in den genannten Gebieten teilzunehmen«. Was sich im ersten Moment beruhigend liest, bietet auf den zweiten Blick trotzdem Anlass zur Sorge. Der Bundesregierung liegen laut Anfrage nämlich Erkenntnisse über »Aufenthalte deutscher Rechtsextremisten in der Ukraine oder Russland vor«, weitere Details wolle das Innenministerium jedoch unter Verweis auf »Staatswohlgründe« nicht preisgeben.

Das heißt: Deutsche Neonazis halten sich aktuell sowohl in der Ukraine als auch in Russland auf, was diese dort konkret tun, darüber gibt die Bundesregierung aber keine Auskunft.

Linke-Politikerin Renner erklärt, ihrer Einschätzung nach sei die Wahrscheinlichkeit hoch, dass deutsche Neonazis am Ukrainekrieg teilnehmen könnten. »Es gibt ernstzunehmende Aufrufe, die über entsprechende Kanäle verbreitet werden«, sagt Renner gegenüber »nd«. Sicher sei, dass über die sozialen Netzwerke ein Austausch stattfinde. »Die Sicherheitsbehörden müssen das sehr erstnehmen. Ich erwarte von den Behörden, dass der Bundestag auch über etwaig bekannt gewordene Teilnahmen deutscher Neonazis an Kampfhandlungen unterrichtet wird«, fordert Renner. Dass Deutschlands Nazi-Szene verstärkt auf den Ukrainekrieg blickt, lässt sich vielfach belegen. In einschlägigen Telegram-Gruppen wird der Konflikt verstärkt thematisiert.

Am Sonntag veröffentlichte »Der III. Weg« einen Podcast, bei dem ein angeblicher Aktivist aus der Ukraine zugeschaltet wurde. Mit dabei war auch Baldur Landogart. Hinter dem Pseudonym verbirgt sich der frühere NPD-Funktionär Tobias Schulz. Auf einem mutmaßlich von ihm betriebenen Telegram-Kanal werden Kontakte zu ukraineweiten Anlaufstellen für Freiwillige verbreitet, die bereit sind, gegen die russische Invasion zu kämpfen. Ebenfalls mehrfach erwähnt wird das Freiwilligen-Regiment »Asow«, eine extrem rechte Gruppierung, die inzwischen auch Teil der ukrainischen Nationalgarde ist.

Daraus sollte allerdings kein Fehlschluss gezogen werden. Neonazis, auch aus Deutschland, kämpfen ebenso auf russischer Seite, wie unter anderem auch aus früheren Anfragen der Linksfraktion im Bundestag hervorgeht. Vor einem Jahr erklärte die Bundesregierung, ihr liegen »Informationen zu einer Personenzahl im unteren zweistelligen Bereich vor«, die in verschiedenen Bundesländern gemeldet sind und die Bundesrepublik in Richtung Ostukraine verlassen haben, um sich »überwiegend auf Seite der pro-russischen Separatisten« an den Kampfhandlungen zu beteiligen.

Verwiesen wird in der Anfrage auf den Fall eines Deutschrussen, der 2014 ins russische St. Petersburg ausreiste, um sich dort einer Miliz anzuschließen, die später ebenfalls in der Ukraine kämpfte. Das Landgericht München verurteilte den Mann 2019 wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und drei Monaten.

St. Petersburg spielte immer wieder eine brisante Rolle. 2020 berichtete der »Focus« über paramilitärische Trainings in der Hafenstadt an der Ostsee, an denen auch Mitglieder der NPD-Jugendorganisation »Junge Nationalisten« und von »Der III. Weg« teilgenommen haben sollen. In den Schulungen soll es sowohl um den Umgang mit Waffen und Sprengstoff als auch um militärischen Nahkampf gegangen sein. Veranstalter war demnach die Organisation »Russian Imperial Movement«, eine Gruppe ultrarechter, christlich-orthodoxer Russen, die auch im Donbass in der Ostukraine gekämpft hat.

Aus der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der FDP aus dem Juni 2020 geht hervor, dass die Bundesregierung schon länger um das Problem kämpfender Neonazis aus Deutschland in der Ukraine weiß. Damals hieß es, »deutsche Rechtsextremisten reisten vereinzelt in die separatistischen Gebiete«, wobei »in wenigen Einzelfällen« eindeutige Erkenntnisse über die Teilnahme an Kampfhandlungen vorliegen.

Linke-Politikerin Renner sagt, dass die aktuelle Situation »nicht wirklich eindeutig« sei und es durchaus widersprüchliche Signale gebe. »Aktuell gibt es sogar russische Neonazis aus dem Bereich des Kampfsports, die zur Teilnahme auf ukrainischer Seite aufrufen. Dem wollen sich wiederum deutsche Neonazis anschließen«, berichtet Renner.

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