Aschermittwoch ist alles vorbei

Kölns Kardinal Woelki kommt aus seiner »geistlichen Auszeit« zurück. Er wird skeptisch empfangen

Im vergangenen Oktober hatte Papst Franziskus den Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki in eine »geistliche Auszeit« geschickt. Zu viel war in und um Köln passiert. Ein von Woelki selbst in Auftrag gegebenes Gutachten hatte dem Kardinal zwar bescheinigt, dass ihn formal keine Schuld trifft, was die Vertuschung von Fällen sexualisierter Gewalt von Geistlichen an Kindern und Jugendlichen betrifft. Gleichwohl sah auch der Vatikan bei Woelki Versäumnisse bei der Aufklärung des Missbrauchsskandals. Der Bischof habe »große Fehler« in der Kommunikation gemacht und damit zur »Vertrauenskrise« im Erzbistum beigetragen.

Für diesen Mittwoch ist Woelkis Rückkehr ins Amt angekündigt – nach fünf Monaten Auszeit. Mit offenen Armen wird er nicht empfangen werden. Kritiker befürchten gar eine »Kernschmelze« der Kirche im größten deutschen Bistum. Woelkis Ersatzmann, der Kölner Weihbischof Rolf Steinhäuser, wandte sich am Dienstag in einer Videobotschaft an die Kirchenmitglieder im Kölner Bistum. Er fand klare Worte. »Der Erzbischof und die Christen im Erzbistum liegen sich nicht in den Armen, bekennen ihre Schuld und feiern Versöhnung«, sagte er. »Wenn man den Umfragen folgt, scheinen viele Gräben noch tiefer und unüberbrückbarer als zuvor«, stellte Steinhäuser fest. Zwar schilderte der apostolische Administrator auch positive Entwicklungen im Bistum in den zurückliegenden Monaten. Doch dass am Aschermittwoch »alles vorbei« sei bzw. dass alles laufen könne, als sei nichts geschehen, glaubt Woelkis Stellvertreter nicht. Eine Zeit von »Leiden und Leidenschaft« komme auf die Christen in Köln und Umland zu, in der man viel »miteinander erleben und aushalten« müssen werde. Steinhäuser hofft auf Ostern, das Fest mit der »Verheißung neuen Lebens«. Der Ton, den der Woelki-Stellvertreter in seiner Botschaft anschlägt, ist freundlich, was die Beschreibung des Zustands der Kirche und die Person des Erzbischofs betrifft. Er sprach zudem von einem »veränderten Klima«, in dem die Gremien stärker geworden seien. In den vergangenen Monaten hatte er dagegen oft deutliche Worte gefunden und klar gemacht, dass er die Amtsführung seines Vorgängers und Nachfolgers äußerst kritisch sieht. Damit und auch durch seine Persönlichkeit hat Steinhäuser sich durchaus Ansehen und Sympathie erworben. Sein Auftreten wird von Christen als offen und den Menschen zugewandt beschrieben. Im Gegensatz zu Woelki sei er nicht distanziert und spreche an, wo selbst Fragen habe und an den Kirchenstrukturen zweifelt, sagen Aktive aus den Gemeinden. Viele, die von ihrem Kardinal einen schroffen Führungsstil von oben gewohnt sind, hat das beeindruckt. So schaffte es Steinhäuser, die Kirche im Erzbistum Köln besser aussehen zu lassen, als ihr Zustand derzeit ist.

Tatsächlich steht sie denkbar schlecht da. Der »Kölner Stadtanzeiger« hatte kürzlich in einer repräsentativen Umfrage Katholiken nach Woelki gefragt. 82 Prozent fanden, dass er vom Papst hätte abgesetzt werden müssen. Und sogar 92 Prozent waren der Meinung, dass der Erzbischof hätte zurücktreten sollen. Tim Kurzbach, Oberbürgermeister von Solingen und Vorsitzender des Kölner Diözesanrates, spricht von Kirchenaustritten auf Rekordniveau. Auch viele engagierte Christen und Aktive der wichtigsten Laienvertretung zögen sich zurück, sagte er dem Evangelischen Pressedienst. Und er äußerte die Befürchtung, dass Woelki »mit dem Machtsystem«, dass er etabliert hat, zurückkommen könnte. Dann drohten die »allerschlimmsten Szenarien«. Frust, Ärger, Verletzungen und ein »unendlich großer Vertrauensverlust« hätten »ein ganzes Bistum emotional fast ans Ende geführt«, konstatierte Kurzbach. Daran, dass sich Woelki geändert hat, glaubt er nicht. Dessen Auszeit habe »keines der Probleme gelöst«. »Es wäre doch ein echtes schwerwiegendes Armutszeugnis, wenn wenige Erzkonservative andere aus der Kirche vertreiben wollten, weil sie deren Argumenten nicht gewachsen sind«, sagte Kurzbach am Dienstag in Köln. Auch an der Dialogbereitschaft des Kardinals zweifelt der Solinger Rathauschef. Ein deutliches Zeichen dafür sei die Absage von zwei Gottesdiensten in dieser Woche durch Woelki.

Eigentlich sollte der Erzbischof am Aschermittwoch den traditionellen Künstlergottesdienst im Kölner Dom abhalten. Dies stand so auch in einer Einladung. Dann verschwand Woelkis Name aus der Einladung für den Gottesdienst. Wenig später auch aus der Einladung für einen Empfang im Anschluss an die Messe. Auch ein ökumenischer Gottesdienst wird nicht von Woelki abgehalten. Eine Erklärung für seine Abwesenheit gibt es von Woelki nicht. Lediglich ein Hirtenbrief ist angekündigt. Die Auszeit des Kardinals endet also mit Kommunikationsproblemen – deretwegen ihn der Papst freigestellt hatte, um ihm Zeit zum Nachdenken zu geben. Auf Woelki warten einige Aufgaben. Erst in der vergangenen Woche war ein Priester aus seinem Bistum wegen sexualisierter Gewalt in 110 Fällen zu einer zwölfjährigen Haftstrafe verurteilt worden. In diesem Fall hatte Woelki zur Aufklärung beigetragen, der Prozess hatte allerdings gezeigt, dass kirchliche Amtsträger nicht konsequent gegen den Geistlichen vorgegangen waren. Ein anderer Fall könnte für Woelki noch kritisch werden. Pfarrer D. war von ihm befördert worden. Nachdem auch gegen ihn Vorwürfe bekannt geworden und ein kirchenrechtliches Verfahren gegen ihn eingeleitet worden war, zog es D. nach Wien. Dort hielt er wieder Gottesdienste ab. Die österreichische Kirche wusste nichts von dem kirchenrechtlichen Verfahren in Köln. Hier kommen unangenehme Fragen auf den Erzbischof zu.

Weit über Köln hinaus wird es spannend zu sehen, wie sich Woelki künftig zum katholischen Reformprozess »Synodaler Weg« positionieren wird. Auf der dritten Vollversammlung des Synodalen Weges waren Anfang Februar deutliche Schritte hin zu einer moderneren Kirche gegangen worden. Es soll mehr Mitbestimmung für Laien geben, das Priesteramt soll perspektivisch für Frauen geöffnet werden, homosexuelle Paare sollen gesegnet werden dürfen. Auch sollen queere und transsexuelle Personen, die in kirchlichen Einrichtungen arbeiten, nicht mehr entlassen werden dürfen. Letzteres haben einzelne Bistümer schon umgesetzt. Ob sich Woelki all dem anschließen wird, ist mehr als fraglich. Der Kölner Erzbischof hat sich bei den bisherigen Versammlungen des Synodalen Wegs reformunwillig und konservativ gezeigt. Es gilt als wahrscheinlich, dass er so weiter macht. Für die reformwilligen Katholiken wäre dies ein schlechtes Zeichen. Bei den entscheidenden Abstimmungen des Synodalen Wegs müssen zwei Drittel der Bischöfe für Reformen stimmen. Knappe Abstimmungen könnten an Woelki und seiner Überzeugungskraft gegenüber unentschlossenen Amtskollegen scheitern. Sicher ist zumindest, dass kritische Katholiken Woelki in Köln und anderswo einen unangenehmen Empfang bereiten.

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