Deutsche Soldaten in die Ukraine?

Linke fordert Blauhelmeinsatz als Alternative zu Nato-Truppen

Die Linke schlägt einen UN-Einsatz in der Ukraine vor.
Die Linke schlägt einen UN-Einsatz in der Ukraine vor.

Das Wort Sicherheitsgarantien ist derzeit in aller Munde. Nachdem US-Präsident Donald Trump den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und europäische Regierungschefs getroffen hat und weitere Treffen zwischen Trump, Putin und Selenskyj avisiert wurden, ist eine alte Debatte wieder hochgekocht.

Schon Anfang des letzten Jahres wurde, nach einem Vorschlag Emmanuel Macrons und vorsichtiger Zustimmung von Keir Starmer, über französische und britische Truppen in der Ukraine debattiert. Aus Deutschland wurde die Debatte damals nur sehr zurückhaltend begleitet. Meist wurde auf die rund 5000 in Litauen stationierten Bundeswehrsoldaten verwiesen. Deutschland leiste damit seinen Beitrag zur Sicherung der »Nato-Ostflanke«. Militärexpert*innen ergänzten, dass die Bundeswehr außerdem wohl kaum in der Lage sei, ein nennenswertes Truppenkontingent für einen Einsatz in der Ukraine aufzustellen.

Diese Warnung erneuerte nun der Wehrbeauftragte des Bundestags, Henning Otte (CDU). »Eines darf nicht sein: Immer mehr Aufträge anzunehmen und den Personalkörper nicht zu stärken«, sagte Otte am Mittwoch im Deutschlandfunk. Sollte sich Deutschland mit einer Brigade von etwa 5000 Soldaten an Sicherheitsgarantien für die Ukraine beteiligen, wäre das eine »Riesenherausforderung für die Bundeswehr«.

Die aktuelle Diskussion ins Rollen gebracht hat Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU). Er erklärte am Dienstag, dass er mit der Opposition darüber sprechen wolle, »was Deutschland dazu beitragen kann und soll«, einen möglichen Frieden in der Ukraine zu sichern. Er gehe davon aus, dass die Bundesrepublik gefragt werde, wie sie sich an einer »Koalition der Willigen« beteiligt. Wadephul ist der Meinung, es gehe um »politischen und militärischen Beistand«. Zur Ausgestaltung des militärischen Beistands verwies der Außenminister auf das Verteidigungsministerium.

Der sozialdemokratische Verteidigungsminister Boris Pistorius äußerte sich daraufhin am Dienstagabend vage. »Wie ein deutscher Beitrag zu den Sicherheitsgarantien aussehen wird, steht derzeit noch nicht fest«, erklärte Pistorius. »Wir berücksichtigen dabei erstens den Verlauf der Verhandlungen, zweitens einen möglichen Beitrag der USA und drittens die Abstimmungen mit unseren engsten Partnern.« Der Verteidigungsminister verwies außerdem darauf, dass man prüfen müsse, welche Bereitschaft zu einer Friedenslösung es in Russland gebe. Deutschland wisse um seine Verantwortung und arbeite »gemeinsam mit unseren engen Partnern daran, dass verlässliche Sicherheitsgarantien für die Ukraine ausgearbeitet werden«, so Pistorius gegenüber der Nachrichtenagentur dpa.

Wolfgang Ischinger, Altdiplomat und ehemaliger Chef der Münchener Sicherheitskonferenz, hält die Diskussion um Bundeswehrsoldaten in der Ukraine für eine »Geisterdebatte«, die »abwegig« und »im Moment nicht nötig« sei. Dem Deutschlandfunk erklärte Ischinger, die Stationierung westlicher Truppen in der Ukraine sei »aus russischer Sicht mit der Nato-Mitgliedschaft der Ukraine« gleichzusetzen. Wladimir Putin werde sich darauf nicht einlassen. Russland habe schon klar gesagt, dass es keine Nato-Truppen in der Ukraine akzeptieren werde. Die Debatte um Bundeswehrsoldaten »sollte und müsse« nicht geführt werden.

Ischinger plädiert stattdessen dafür, die Bemühungen fortzusetzen, die Ukraine verteidigungsfähig zu halten. Russland dürfe nicht den Eindruck haben, den Krieg zu gewinnen. Die Ukraine müsse zum »Stachelschwein« werden, sodass Angriffe für Russland schmerzhaft sind. Nur so gebe es die Chance auf echte Friedensverhandlungen.

Vor Bundeswehrtruppen in der Ukraine warnt der Linke-Parteivorsitzende Jan van Aken. Diese erhöhten die Gefahr eines »ganz großen Krieges«. Aus früheren Friedensschlüssen und Waffenstillständen wisse man, dass es »immer wieder zu kleineren Kämpfen, Missverständnissen und Provokationen an der Grenzlinie kommt«. Sich gegenüberstehende Truppen aus Nato-Ländern und Russland stellten ein enormes Risiko dar. »Die Ukraine braucht unbedingt handfeste Sicherheitsgarantien für den Fall eines Friedensschlusses mit Russland. Diese sollten aber unbedingt im Rahmen der Vereinten Nationen beschlossen und durchgeführt werden«, fordert van Aken. Nato-Truppen seien hingegen eine »Unsicherheitsgarantie«.

Der Linke-Chef verweist auf Zypern, wo es seit 50 Jahren einen erfolgreichen Blauhelmeinsatz gebe. Wenn Russland und die Ukraine direkt miteinander verhandelten, werde auch die Uno wieder handlungsfähig, glaubt van Aken. »Eine klassische Blauhelmtruppe wird dann eine wirkliche Sicherheit für die Ukraine garantieren können, wenn sie möglichst divers aufgestellt ist, mit Blauhelmen aus Nato-Staaten wie auch aus China – denn niemals wird Moskau es zulassen, dass auf chinesische Soldaten geschossen wird. Damit wäre das eine zusätzliche Sicherheitsgarantie«, so der Linke-Chef. Außenpolitisch fordert er: »All das muss schon jetzt in Gesprächen auf UN-Ebene vorbereitet werden.«

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