Was tun gegen rechte Richter?

Das AfD-Mitglied Jens Maier wird nach seiner Zeit als Bundestagsabgeordneter ins Richteramt zurückkehren. Danach soll er in den Ruhestand versetzt werden - ob es zu einem Disziplinarverfahren wegen seiner rechten Äußerungen kommt, ist unklar. Der Fall ist eine Blamage der Justiz

  • Alexander Hoffmann und Kristin Pietrzyk
  • Lesedauer: 7 Min.

Nach der vergangenen Bundestagswahl im Oktober 2021 schied der Abgeordnete Jens Maier, Mitglied des pro forma aufgelösten »Flügel« der Partei Alternative für Deutschland (AfD) und aufgrund seiner zahlreichen rassistischen und antisemitischen Ausfälle auch als »kleiner Höcke« bezeichnet, aus dem Bundestag aus. Es wurde schnell klar, dass Maier stattdessen in den Richterberuf zurückkehren wollte, den er vor seinem Einzug in den Bundestag am Landgericht Dresden ausgeübt hatte. Die Zuständigen im sächsischen Justizministerium erklärten zunächst lediglich, Maier habe einen Rückkehranspruch nach Paragraf 6 Abgeordnetengesetz und schwiegen sich zu disziplinarrechtlichen Sanktionen aus. Daraufhin kam nach einem Artikel des Professors für öffentliches Recht der Universität Bremen Andreas Fischer-Lescano auf der Webseite »Verfassungsblog« eine lebhafte Diskussion zustande.

Fischer-Lescano nimmt in seinem Text »Warum der Rechtsextremist Jens Maier nicht wieder Richter werden darf« die Position ein, Maiers rechte Äußerungen vor und während seiner Abgeordnetenzeit seien disziplinarrechtlich als schwere Dienstvergehen zu behandeln und würden seine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis rechtfertigen. Dass die zuständige Justizministerin Sachsens, Katja Meier von den Grünen, eine solche Entlassung erst gar nicht auf den Weg gebracht habe, wertet er als »Versagen der vermeintlich wehrhaften Demokratie«. Das Geschehen zeige exemplarisch, so Fischer-Lescano weiter, »wie ungehindert der rechtsextreme Marsch durch die Institutionen vonstatten geht«. Der Umstand, dass die meisten der Maier vorgeworfenen Äußerungen zu einem Zeitpunkt erfolgten, zu dem sein Dienstverhältnis aufgrund seiner Abgeordnetentätigkeit ruhte, führe nicht dazu, dass diese disziplinarrechtlich nicht verwertet werden dürften. Schließlich habe die Treuepflicht, die sich per Gesetz aus dem Beamtenverhältnis ergibt, auch während dieser Tätigkeit gegolten.

Bezahlter Urlaub bis zur Pension?

Alternativ zu Fischer-Lescanos Forderung an die sächsische Justizministerin, ein Disziplinarverfahren einzuleiten und auf diese Weise die Entfernung aus dem Richterdienst zu bewirken, forderten andere Stimmen, der sächsische Landtag solle per Zweidrittelmehrheit eine Richteranklage beantragen, über die das Landesverfassungsgericht dann entscheidet. Die Lösung, die das sächsische Justizministerium mittlerweile anstrebt, versucht - in sächsischer Tradition - eine harte, gegebenenfalls gerichtliche Auseinandersetzung zu vermeiden. Maier soll stattdessen ganz formal zum 14. März auf eine Stelle bei einem anderen Amtsgericht in Dippoldiswalde versetzt werden, wo ihm die Ausübung seines Dienstes vorläufig untersagt werden soll. Faktisch käme dies einem bezahlten Urlaub bis zur Pension gleich, soweit nicht ein parallel dazu mögliches Disziplinarverfahren oder die Richteranklage die Maßnahme überholt.

Unabhängig vom konkreten Umgang mit dem ehemaligen AfD-Abgeordneten Maier stellt sich allerdings die Frage, wie die Justiz selbst mit Beamt*innen umgeht, die während ihrer Diensttätigkeit oder in ihrem Privatleben öffentlich rassistisches, antisemitisches oder völkisches Gedankengut zur Schau stellen. Eine Diskussion, die immer nur in Hinblick auf eine mögliche Entlassung aus dem Beamtenverhältnis geführt wird, kann die Alltagsprobleme, die in der Justiz grassieren, nicht beantworten. Sie begibt sich zudem in gefährliche Nähe zu autoritären Positionen wie etwa Berufsverboten, die letztlich erfahrungsgemäß ohnehin vor allem gegen Linke eingesetzt werden.

Die Unabhängigkeit der Justiz und damit der Richter*innen ist für eine rechtsstaatliche Ordnung unverzichtbar. Die Justiz muss daher selbst Wege finden, mit Richter*innen oder Staatsanwält*innen umzugehen, die beispielsweise Mitglieder oder bekennende Sympathisanten der AfD sind. Der Fall Maier zeigt stattdessen, wie wenig »Selbstreinigungskräfte« innerhalb der Justiz vorhanden sind. Bereits 2016, als der Jurist Maier ein aktives Mitglied der AfD in Sachsen war, hatte sich die Unfähigkeit seiner Richter-Kolleg*innen gezeigt, mit dieser Tatsache umzugehen. Dabei mussten Maiers Aktivitäten ihnen bekannt gewesen sein, immerhin gehörte er als eines von drei Mitgliedern dem Landesschiedsgericht der AfD Sachsen an.

Maier war zudem in einer Presserechtskammer am Landgericht Leipzig tätig, als eine einstweilige Verfügung der NPD gegen den Politologen Steffen Kailitz vom Dresdner Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung einging: Die NPD wollte Kailitz, der auch als Gutachter für das Verbotsverfahren gegen die NPD beim Bundesverfassungsgericht benannt war, die Aussage untersagen, die Partei »plane rassistisch motivierte Staatsverbrechen und wolle acht bis elf Millionen Menschen aus Deutschland vertreiben, darunter mehrere Millionen deutscher Staatsbürger mit Migrationshintergrund«. Dies hatte Kailitz in einem »Zeit«-Artikel geschrieben. Die Richterkolleg*innen der Pressekammer hatten also Grund genug, darüber nachzudenken, ob der AfD-Mann Maier der richtige Richter ist, um über diese Angelegenheit zu entscheiden. Dennoch passierte nichts - im Gegenteil übertrug die Kammer die nicht unkomplizierte Beurteilung eines politikwissenschaftlichen Artikels nach presserechtlichen Grundsätzen sogar an Maier als Einzelrichter. Dieser tat, was zu erwarten war, erließ die einstweilige Verfügung gegen den Politologen und verbat damit einstweilen dessen Äußerung über die NPD. Erst ein Jahr später wurde dieser Beschluss endgültig kassiert. Der Rechtsanwalt des Wissenschaftlers Kailitz erklärte zu Maiers Beschluss, es sei »ein in der Bundesrepublik bisher einmaliger Vorgang, dass einem Gutachter, der in einem laufenden Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht bestellt ist, eine seiner zentralen Aussagen in diesem Verfahren von einem (unzuständigen) Richter des Landgerichts ohne Glaubhaftmachung und ohne rechtliches Gehör untersagt wird.«

Richterliches Wegducken

Dieser Skandal, der letztlich dazu führte, dass Maier eine andere Zuständigkeit zugewiesen wurde und er nicht mehr Teil der Pressekammer war, bevor er in den Bundestag einzog, wäre leicht zu verhindern gewesen. Eine Übertragung auf den Einzelrichter Maier hätte ohne weiteres unterbleiben können, in der Kammerbesetzung hätten drei Richter entschieden, Maier hätte unproblematisch überstimmt werden können. Und vielleicht wäre dies ja ohnehin eine Lösung gewesen: Die Richter*innen der Kammer hätten grundsätzlich entscheiden können, Maier keine Entscheidungen als Einzelrichter mehr zu übertragen, um ihn auf diese Weise zu kontrollieren. Allerdings hätte eine solche Entscheidung sicherlich zu persönlichen Kontroversen zwischen den Richter*innen geführt. Offensichtlich bestand bei Maiers Richterkolleg*innen entweder kein Bewusstsein für die Gefahren, die von einem Richter mit AfD-Ideologie ausgehen, oder sie wollten sich einfach nur bedeckt halten. Möglicherweise hatten die Kolleg*innen auch die Hoffnung, dass der Fall Maier durch ein Disziplinarverfahren beendet würde. Jedenfalls bestand keine Bereitschaft, sich selbst in den Konflikt einzubringen.

Diese Art des Wegduckens und der Verweigerung der Übernahme von Verantwortung ist leider typisch für den Umgang innerhalb der Justiz. Dabei wäre es in vielen Fällen einfach möglich, entsprechende Entscheidungen von auffälligen Richter*innen oder Staatsanwält*innen zu verhindern. Gegen einen Strafrichter, der für diskriminierende Vorurteile bekannt ist, könnten beispielsweise die Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft regelmäßig Befangenheitsanträge stellen. Damit würde eine Verortung der Justiz erfolgen, die öffentlich wahrnehmbar wäre; bei den Richter*innen, die über diese Befangenheitsanträge zu entscheiden haben, entstünde zwangsläufig eine Diskussion, die auch ihnen eine klare Positionierung ermöglichen würde.

Veränderung muss von unten kommen

Ein solches Vorgehen könnte durch das Justizministerium für die Staatsanwaltschaften sogar angeordnet werden. Diese sind nämlich nicht in gleicher Weise wie Richter*innen von der Unabhängigkeit der Justiz privilegiert, sondern stark hierarchisch aufgebaut und weisungsgebunden. Bereits existierende strenge Weisungen an die Staatsanwält*innen, wie etwa Erlasse zu Höchstmengen von Betäubungsmitteln für Verfahrenseinstellungen oder der Umgang mit Strafverfahren wegen Widerstands gegen Polizeibeamte, sind anerkannt und allgemein akzeptiert. Lediglich wenn es um den Umgang mit rechtsextremistisch motivierten Handlungen oder Richter*innen geht, sollen bindende Anweisungen durch das Justizministerium auf einmal ein unzulässiger Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz darstellen.

Selbstverständlich wäre das aktive Eingreifen von Richter*innen oder Staatsanwält*innen gegenüber Kolleg*innen, die sich offen rechtsextremistisch äußern oder entsprechende Urteile sprechen, ein Novum, das den Alltag an den Gerichten durchaus stören würde. Aber das momentane Schweigen der Justiz in Hinblick auf die rassistischen, antisemitischen, chauvinistischen Äußerungen von Richter*innen kommt einer Leugnung dieser Vorfälle gleich und tut so, als gäbe es solche Kolleg*innen einfach gar nicht. Dieses Vermeidungsverhalten gefährdet das Vertrauen der Öffentlichkeit in eine unabhängige Justiz deutlich stärker als die Fehlentscheidungen und rechte Weltanschauung eines einzelnen Richters wie Jens Maier. Auch für Disziplinarmaßnahmen scheint in der aktuellen politischen Dynamik noch genügend Raum. Aber eine wirkliche Veränderung muss, in der Justiz wie in der Gesamtgesellschaft, von unten beginnen - dann bleibt nur die Frage, ob die zuständigen Ministerien dies unterstützen oder bekämpfen. Das Verhalten der Justizminister*innen in Sachsen und Thüringen lässt hier allerdings wenig Mut aufkommen.

Alexander Hoffmann und Kristin Pietrzyk sind Rechtsanwälte mit Kanzleien in Kiel, Jena und Leipzig. Sie vertreten Mandant*innen im Straf- und Presserecht, aber auch Betroffene rechter Gewalt, so beispielsweise hinsichtlich der Morde in Halle und Hanau.

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