Prekäre Feldarbeit

Die Arbeitsbedingungen für Saisonkräfte haben sich nur wenig verbessert

  • Haidy Damm
  • Lesedauer: 3 Min.

Knapp 300 000 Saisonkräfte sichern jährlich die Ernten der deutschen Landwirtschaft. Der größte Teil der Saisonarbeiter*innen kommt aus Rumänien, aber auch Polen, Bulgarien, Ungarn und die Drittstaaten Ukraine und Georgien sind wichtige Herkunftsländer. Ihre Arbeitsbedingungen sind prekär, immer wieder berichtet die DGB-Initiative Faire Mobilität von zurückgehaltenem Lohn, intransparenten Abrechnungen, einbehaltenden Pässen, Entlassungen im Krankheitsfall oder schlechter Unterbringung. »In einigen Betrieben herrschen Zustände, die einem das Blut in den Adern gefrieren lassen«, kritisiert DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel am Dienstag auf einer Konferenz zur Fairen Mobilität. Von einer »Kontinuität der Ausbeutung« spricht der Sozialwissenschaftler der Amsterdam Law School, Vladimir Bogoeski.

Im Zuge der Corona-Pandemie waren die Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft verstärkt in den öffentlichen Fokus geraten. Zwar wurden die Saisonkräfte als systemrelevant anerkannt, ihre Arbeitsbedingungen verbesserte das zunächst nicht. So wurden die Zeiträume, in denen eine kurzfristige Beschäftigung möglich ist, auf bis zu 115 Tage ausgeweitet. Hintergrund war, dass die Teams wegen der Hygienebedingungen seltener ausgetauscht werden sollten. Aktuell soll der Zeitraum wieder bei 70 Tagen liegen und bleiben, heißt es aus dem Bundesarbeitsministerium. Ein erheblicher Teil der Saisonarbeiter*innen aus dem EU-Raum arbeitet als kurzfristig Beschäftigte. Das Problem: Die Beschäftigung ist sozialversicherungsfrei. Ein bleibender Kritikpunkt, denn eine volle Sozialversicherung ist nicht in Sicht.

Bei der damit verbundenen Krankenversicherung gab es zuletzt Verbesserungen. Seit dem 1. Januar gilt für Arbeitgeber eine Meldepflicht, ob Saisonkräfte privat oder gesetzlich versichert sind. Oftmals passiert das über Gruppenversicherungen. Hier gibt es immer wieder Lücken, kritisiert Harald Schaum, stellvertretender Bundesvorsitzender der IG BAU. Das Bundesgesundheitsministerium dagegen bescheinigt den privaten Versicherungen bisher einen gleichwertigen Versicherungsschutz. Der im Koalitionsvertrag vereinbarte volle gesetzliche Krankenversicherungsschutz ist das noch nicht.

Umstritten in der Branche ist der gesetzliche Mindestlohn, der im Oktober 2022 auf 12 Euro steigt. Ausnahmen für die Landwirtschaft soll es nicht geben, wie sowohl Bundesarbeitsministerium als auch Bundeslandwirtschaftsministerium betonen. Allerdings mahnt die Initiative Faire Mobilität, dass der Mindestlohn immer wieder unterlaufen werde, etwa über Akkordlöhne, nicht gezahlte Überstunden oder überhöhte Kosten für Essen und Unterbringung.

Im Oktober ist zwar die besonders arbeitsintensive Zeit der Ernte von Gemüse wie Spargel, Erdbeeren, Weintrauben, Baumobst und Gemüsegurken überwiegend vorbei, der Deutsche Bauernverband (DBV) mahnt trotzdem, die Wirtschaftlichkeit der Betriebe in Deutschland sei gefährdet. »Diese kurzfristige Erhöhung wird den bereits bestehenden Wettbewerbsdruck noch weiter verschärfen. Dadurch wird auch die Erzeugung von heimischen, hochwertigen Lebensmitteln zunehmend erschwert«, sagte DBV-Präsident Joachim Rukwied.

Unzweifelhaft stehen die landwirtschaftlichen Betriebe unter Druck, ob aber die Lohnkosten für Saisonkräfte ausschlagend sind, ist umstritten. Gerade die Marktmacht des Handels wird immer wieder angemahnt, dessen Preise sind oft nicht kostendeckend. Über die im vergangenen Jahr umgesetzte UTP-Richtlinie gegen unlautere Handelspraktiken wurden allerdings besonders die direkten Lieferbedingungen verbessert, wie sie bei Obst und Gemüse häufig sind. Gerade weil Verbraucher*innen sich regionale Produkte wünschen, sei es wichtig, dass die Produktion auch hierzulande möglich ist und Betriebe nicht wegen hoher Kosten aufhören müssen, sagt Staatssekretärin im BMEL, Silvia Bender, und mahnt, Betriebe nicht zu überfordern.

Einen weiteren Schritt will die Bundesregierung gehen: Die Ratifizierung der ILO-Konvention 184 über den Arbeitsschutz in der Landwirtschaft, die 2003 verabschiedet wurde, soll endlich umsetzt werden.

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