• Berlin
  • Ehemaliges Hostel in Berlin besetzt

Besetzung für Geflüchtete

Es fehlt in Berlin an Wohnungen Unterkünften – Aktivist*innen weisen auf leerstehendes Hostel hin

  • David Zauner
  • Lesedauer: 3 Min.
Am Vormittag besetzt - am Nachmittag schon wieder geräumt: das ehemalige Wombats-Hostel in Berlin-Mitte.
Am Vormittag besetzt - am Nachmittag schon wieder geräumt: das ehemalige Wombats-Hostel in Berlin-Mitte.

80 leere Hotelzimmer auf sieben Stockwerken: Seit knapp drei Jahren steht das ehemalige Wombat’s City Hostel in der Alten Schönhauser Straße leer. Am Samstagvormittag kehrt wieder Leben in das stille Gebäude ein: Um 10 Uhr öffnen sich einige der Fenster und bunt vermummte Aktivist*innen hängen Transparente heraus. »Wohnraum für alle statt Cappuccino für 5 Euro« steht auf einem von ihnen, »Besetzt« auf einem anderen.

Ukrainische Flüchtlinge in Berlin

50 000 Fiktionsbescheinigungen sind laut Sozialverwaltung bisher in Berlin ausgestellt worden. Damit erhalten die Menschen Zugang zu Sozialleistungen und dem Arbeitsmarkt in Berlin.

Über das Landesamt für Einwanderung sind weitere 8400 Menschen registriert worden, damit ergibt sich laut der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales eine Gesamtzahl von aktuell über 58 000 Neuberliner*innen, von denen allerdings nicht alle eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis erhalten werden.

Bisher wurden 11 100 dauerhafte Aufenthaltstitel (Stand Dienstag) durch das Landesamt für Einwanderung erteilt.

Von den Personen, die über das Ankunftszentrum Tegel ankommen, werden demnach 35 Prozent nach Berlin verteilt. Nach wie vor kommen laut Lagebericht der Sozialverwaltung weiterhin täglich 1500 bis 2000 Personen in Berlin an.

Einen für Dienstag angekündigten Bericht zu den neuesten Daten und weiteren Planungen zur Registrierung von Flüchtlingen am Ankunftszentrum Tegel sowie einen von Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) angekündigten Überblick über ukrainische Kinder und Jugendliche an Berliner Schulen werde es erst mit der kommenden Senatssitzung am 3. Mai geben, erklärte Sozialsenatorin Katja Kipping. clk

Die Eigentümerin der Immobilie, die südamerikanische Hotelkette Selina, plant in dem Gebäude ein Hotel mit Coworking-Space. Aber: »Berlin braucht selbstverwalteten Wohnraum und ein grundlegendes Bleiberecht statt einem weiteren teuren Hotel in Berlin-Mitte«, sagt Mio Decker, eine Sprecherin der Initiative Hotels to Housing, zu »nd«. Sie fordert eine selbstverwaltete Unterkunft für Geflüchtete in den Räumen. Es sei unverantwortlich, dass in Berlin Wohnraum ungenützt bliebe, während Flüchtlinge aus Kriegsgebieten wie der Ukraine, Jemen oder Kurdistan, »sich in Massenunterkünfte quetschen oder in menschenunwürdigen Camps an den EU-Außengrenzen festgesetzt werden«, erklärt sie.

Seit 10 Uhr spielen Unterstützer*innen der Engagierten vor dem Haus Musik über mobile Lautsprecher. Über den Tag versammelten sich dort etwa 60 Personen. Begleitet von lautem Beifall, verkünden die Besetzer*innen ihr Statement vom Balkon: »Wir wollen mit dieser Aktion auch auf die menschenunwürdige Asylpolitik der EU hinweisen«, heißt es darin. Denn während die deutsche Regierung von Solidarität mit ukrainischen Geflüchteten spreche, würden Tausende Menschen an den EU-Außengrenzen festhängen.

Im Gebäude des ehemaligen Wombat's solle daher Wohnraum für alle Geflüchteten entstehen. Vertreter*innen der Initiative No Border Assembly, Bewohner*innen des Hausprojektes in der Linienstraße 206 und auch ehemalige Mitarbeiter*innen des Wombat’s Hostels solidarisierten sich mit den Besetzer*innen. Das Hostel war geschlossen worden, nachdem sich ein Teil der Belegschaft in einem Betriebsrat organisiert hatte.

In einem weiteren Redebeitrag solidarisierten sich die Besetzer*innen mit den Bewohner*innen der Habersaathstraße 40-48. Dort war auf eine ähnliche Besetzung eines ebenfalls über Jahre leerstehenden Gebäudes im Dezember letzten Jahres die Beschlagnahmung der Räume durch das Bezirksamt Mitte erfolgt. Seitdem wohnen dort ehemals obdachlose Menschen selbstverwaltet. Vor wenigen Tagen hatte der Eigentümer die Bewohner*innen allerdings aufgefordert, das Haus zu verlassen. Er wolle dort ukrainische Geflüchtete unterbringen. »Es gibt genug Wohnraum in Berlin. Sieben Prozent der Wohnungen in der Stadt stehen leer. Es ist ein absolutes Unding, Geflüchtete gegen Obdachlose auszuspielen«, erklärt Mio Decker. Der Eigentümer hatte zuvor bereits angekündigt, das intakte Gebäude abreißen zu wollen und durch einen Neubau zu ersetzen.

Das Hotelunternehmen Selina hat andere ehrgeizige Ziele. Weltweit wollen sie, laut einem Investment-Sheet, jede Woche ein neues Hotel eröffnen. In Berlin hat das Unternehmen bereits zwei Häuser gekauft. Neben der Alten Schönhauser Straße 2 betrifft es noch ein Gebäude in der Konstanzer Straße 1. Beide Häuser stehen bisher leer.

Nach etlichen erfolglosen Versuchen der Aktivist*innen, Kontakt zu den Eingentümer*innen herzustellen, tauchen gegen 14 Uhr doch noch Vertreter*innen von Selina vor Ort auf. Verhandlungen mit den Besetzer*innen lehnen sie aber ab. Kurz darauf gibt die Polizei bekannt, dass eine Räumungsklage vorliegt. Gegen 17 Uhr räumen die Beamt*innen das Haus und holen dabei laut eigenen Angaben sechs Personen aus dem Gebäude. Die Aktivist*innen kritisieren die fehlende Verhandlungsbereitschaft der Eigentümer*innen und die Räumung durch die Polizei. »Der Senat, Giffey und Selina können uns räumen – aber eine Lösung für miese Massenunterkünfte schaffen sie nicht«, erklären sie zum Abschluss der Aktion.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal