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  • Schüler mit Behinderung

Inklusion an den Schulen heißt mehr als ein Fahrstuhl

Berliner Eltern von Kindern mit Behinderung übergeben wütenden Protestbrief an die Senatsverwaltung für Bildung

  • Rainer Rutz
  • Lesedauer: 3 Min.

Es werde von der Bildungsverwaltung viel versprochen und nicht mit Selbstlob gegeizt, wenn es um das Thema Inklusion an Berlins Schulen geht. Maike Dieckmann ärgert das enorm. »Ich scheue mich schon, das Wort ›Inklusion‹ im Zusammenhang mit dem Schulalltag überhaupt in den Mund zu nehmen«, sagt die Kreuzberger Mutter eines Viertklässlers mit Behinderung zu »nd«. »Wir haben keine echte Inklusion an den Schulen«, meint Dieckmann, die sich im Berliner Bündnis für schulische Inklusion engagiert.

Zusammen mit anderen Mitstreiterinnen und Mitstreitern will Dieckmann der Bildungsverwaltung am Donnerstag einen wütenden Protestbrief übergeben. Unterschrieben haben den Brief des Bündnisses inzwischen über 100 Einzelpersonen und mehr als 30 Verbände, vom Landeselternausschuss über die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft bis zu den Berliner Bezirksbeauftragten für Menschen mit Behinderung.

Konkreter Anlass für den Brandbrief ist die Antwort von Jugend- und Familienstaatssekretär Aziz Bozkurt (SPD) auf eine Parlamentarische Anfrage von März. Die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Franziska Brychcy, hatte sich beim Senat nach dem Lehrkräftemangel in Berlin erkundigt. Brychcy fragte Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) dabei auch nach dem zusätzlichen Lehrkräftebedarf, der »durch die fehlende Abbildung von Inklusion« in den bisherigen Prognosen unberücksichtigt geblieben sei. Alles Quatsch, hieß es hierzu von Busses Staatssekretär Bozkurt. Die Inklusion in Berlin sei doch »für die Grundstufe bereits vollständig umgesetzt«.

»Diese Aussage geht komplett an der Realität vorbei«, sagt Maike Dieckmann. Es gebe natürlich Grundschulen, an denen die gleichberechtigte Teilhabe von Kindern mit Behinderung kein Thema sei. »Aber an sehr vielen anderen Schulen läuft es eben gar nicht. Warum gibt es denn in Berlin noch mehr als 60 Förderschulen mit Grundstufenklassen, wenn die Inklusion so perfekt umgesetzt ist?«

Viele Eltern aus dem Bündnis für schulische Inklusion wüssten aus Erfahrung, wie schwer bis unmöglich es ist, für ihre Kinder eine Grundschule in Wohnortnähe zu finden, die dem erhöhten Förderbedarf der Kids gerecht wird. »Das fängt schon beim fehlenden Aufzug an, weil bei älteren Schulgebäuden der Denkmalschutz höher steht als die Inklusion«, sagt Dieckmann. Und selbst ein Fahrstuhl heißt für Kinder mit Behinderung noch lange nicht, in einer auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen Schule gelandet zu sein.

Nicht ausreichend sensibilisiertes Schulpersonal, zu große Klassen, schlecht bezahlte, manchmal auch unmotivierte Schulhelfer für die Kinder: »Von den immer wieder beschworenen multiprofessionellen Teams sind wir ganz weit entfernt. Und natürlich schicken viele Eltern ihre Kinder dann lieber auf eine Förderschule, wo sie diese Unterstützung erhalten«, so Dieckmann.

Die Bildungsexpertin der Grünen-Fraktion, Marianne Burkert-Eulitz kennt die Probleme aus ihrer Arbeit als Rechtsanwältin für Kinder-, Jugend- und Familienrecht zur Genüge. »Man muss zwar realistisch feststellen, dass wir bei der schulischen Inklusion weiter sind als andere Bundesländer. Aber auch in Berlin ist noch viel Luft nach oben«, sagt Burkert-Eulitz zu »nd«. Zum generellen Fachkräftemangel kämen hier auch noch Fortbildungsdefizite beim Schulpersonal im Umgang mit Kindern mit Behinderung hinzu. Denn klar sei ebenso: »Inklusion ist auch eine Haltungsfrage.«

Die Bildungsverwaltung hat bereits angekündigt, dass weder Senatorin Busse noch einer ihrer Staatssekretäre Zeit haben werden, den Protestbrief persönlich entgegenzunehmen. Am Donnerstag tagt das Abgeordnetenhaus, Busse wird hier Rede und Antwort stehen müssen. »Was soll ich dazu sagen? Ich gehe davon aus, dass es auch anders gehen könnte, wenn der Termin und das Thema Inklusion als ganz wichtig eingestuft werden würde«, sagt Maike Dieckmann. Was sie nicht sagt: Dem scheint nicht so zu sein.

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