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»Zur Aufrechterhaltung der Ordnung«

Neue linksreformistische Regierung in Chile entsendet das Militär ins Gebiet der Mapuche

  • Malte Seiwerth, Santiago de Chile
  • Lesedauer: 4 Min.

»Ich dachte mit der neuen Regierung würde es mehr Dialog geben«, sagt die Mapuche-Aktivistin Katherina Palma Millanao, »stattdessen hat der Staat uns ein weiteres Mal verraten.« Der Grund der Enttäuschung von Palma Millanao ist die erneute Ausrufung des Ausnahmezustands in der Araucanía, dem Hauptsiedlungsgebiet der Mapuche. Seit dem 17. Mai hat das Militär erneut formal den Oberbefehl über den gesamten Staatsapparat in den betroffenen Gebieten übernommen. Gewisse Grundrechte wie die Versammlungsfreiheit sind außer Kraft gesetzt.

Die Innenministerin der linksreformistischen Regierung unter Gabriel Boric, Izkia Siches, begründete die Entsendung des Militärs mit dem Ziel Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit der Bürger*innen. Seit Wochen kam es in der Araucanía zu Diebstählen und Anschlägen auf Forstunternehmen. Zum Teil durch militante Mapuche, die die Unternehmen des Landraubs bezichtigen.

Der Einsatz des Militärs kam jedoch für viele überraschend. So war es eine der ersten Amtshandlungen des linksreformistischen Präsidenten Gabriel Boric im März 2022, den unter dem bis dahin regierenden rechten Präsidenten Sebastián Piñera eingeführten Ausnahmezustand aufzuheben. Siches selber kritisierte damals die Militarisierung des Gebietes scharf. »Die Maßnahme hat keine Resultate gebracht«, sagte sie Anfang März gegenüber der lokalen Presse.

Für die Wiedereinführung des Ausnahmezustands protestierten in den vorherigen Wochen Lastwagenunternehmer*innen, die sich als Opfer von Kriminalität und Terrorismus sehen. Laut Vicente Painel, Regionalsekretär des Wirtschaftsministerium, sei das Entsenden allerdings kein Einknicken gegenüber dem Gremium, das zum Teil mit ultrarechten Organisationen liiert ist, sondern vielmehr ein Versuch die Fahrer zu kontrollieren. »Der Streik der Lastwagenfahrer hat zu ernsthaften Versorgungsschwierigkeiten geführt«, sagte er gegenüber nd-Aktuell.

Das Militär sei in diesem Fall zuständig, die Straßen zu räumen und die Versorgung der Bevölkerung zu garantieren, sollten die Lastwagenfahrer einen weiteren Streik unternehmen, so Painel. Zum Teil seien die Lebensmittelpreise aufgrund blockierter Straßen um mehr als das Doppelte angestiegen.

Viele sehen im Ausnahmezustand allerdings eine Reaktion auf militante Aktionen der Mapuche. Eigentlich wollte die neue Regierung auf Dialog mit den Mapuche setzen, auch den militanten Gruppen. Diese verweigerten allerdings jegliche Gespräche. Für den Mapuche-Historiker Claudio Lincopin eine verständliche Reaktion. Gegenüber lokalen Medien sprach er von einem historischen Vertrauensverlust der Mapuche gegenüber dem Staat, der nicht so schnell wettgemacht werden könne. Mittlerweile sei die Gewalt zum Alltag in der Region geworden. Für Lincopin ein Problem, da »es gewisse Akteure gibt, die daraus Profit schlagen und sie aus diesem Grund weiter fördern.«

Seit Jahrzehnten reagieren Regierungen verschiedener Couleur mit der Militarisierung der Region auf die Landbesetzungen und militante Aktionen. Über Jahre vor allem durch die militärische Aufrüstung der Polizei. Der Höhepunkt wurde jedoch unter der Regierung Piñera erreicht, die über zwei Jahre das Militär vor Ort sandte. Dabei kam es auch zu zivilen Todesopfern. Erst im November erschoss die Marine im damals geltenden Ausnahmezustand einen unbeteiligten Mapuche, nachdem das Militär das Feuer auf eine Demonstration eröffnet hatte. Angeblich wurden die Soldaten aus dem Hintergrund angegriffen. Der Fall wurde bislang nicht aufgeklärt. Der für den Einsatz verantwortliche Admiral, Jorge Parga, sollte zuerst auch dieses Mal in der gleichen Provinz das Oberkommando übernehmen. Nach Kritik durch Menschenrechtsorganisationen ersetzte die Regierung den Admiral durch einen bisher unbekannten Marineangehörigen.

Selbst innerhalb der Regierungskoalition war die Entsendung des Militärs nicht unumstritten. Der Präsident Gabriel Boric gab derweil zu, dass der Einsatz des Militärs die eigentlichen Probleme nicht löst. Deshalb kündigte die Regierung an, zusätzliche Gelder in die Araucanía, die ärmste Region des Landes, zu entsenden und unter anderem die Landrückgabe an Indigene zu beschleunigen.

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