Benachteiligung von schwangeren Landesbeschäftigten ist vom Tisch

Berliner Finanzverwaltung passt Auslegung des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst an

  • Rainer Rutz
  • Lesedauer: 3 Min.

Das von der Senatsfinanzverwaltung vor wenigen Tagen verschickte Rundschreiben IV Nr. 28/2022 enthält gerade einmal 13 Textzeilen. Die allerdings haben es in sich – und zwar im positiven Sinn. Im trockensten Verwaltungsdeutsch werden die Dienststellen des Landes Berlin darüber informiert, dass etwaige Benachteiligungen werdender Mütter im öffentlichen Dienst nicht mehr zulässig sind. 

Konkret geht es um Diskriminierungen in deren Gehaltslaufbahn: Beschäftigte im öffentlichen Dienst erreichen nach einer gewissen Zeit einer ununterbrochenen Tätigkeit innerhalb derselben Gehaltsgruppe beim selben Arbeitgeber quasi automatisch die jeweils nächste Stufe in der Entgelttabelle. Ende Mai hatte die Gewerkschaft Verdi erbost auf ein älteres Rundschreiben der Finanzverwaltung aus dem Herbst 2021 hingewiesen, in dem erläutert wurde, dass diese »Stufenlaufzeit« anzuhalten ist, wenn Ärzte oder Arbeitgeber aufgrund einer Risikoschwangerschaft ein Beschäftigungsverbot aussprechen (»nd« berichtete).

Für die Betroffenen bedeutete das, dass sie später die nächste Gehaltsstufe erreichen als ihre Kollegen. Die so entstehenden Einkommensverluste könnten sich »auf einige Tausend Euro summieren«, sagt Andrea Kühnemann, die stellvertretende Landesbezirksleiterin von Verdi. 

Genau das ist jetzt – wohl auch als Reaktion auf die Skandalisierung durch Verdi – mit den besagten 13 Textzeilen aus dem Haus von Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) korrigiert worden. Eine Nichtberücksichtung der Zeiten des Beschäftigungsverbots bei der Stufenlaufzeit könne »gegebenenfalls eine unzulässige Benachteiligung von Frauen darstellen«, heißt es zur Begründung in dem Schreiben, das »nd« vorliegt. In Fällen, in denen die Regelung aus dem Herbst vergangenen Jahres bereits angewendet wurde, sind die Laufzeiten neu zu berechnen. 

Die Gewerkschaft feiert das »Zurückrudern« der Finanzverwaltung als kleinen Sieg über die Bürokratie. »Wir freuen uns als Verdi, dass wir die betroffenen Frauen unterstützen konnten und dass die zuständigen Personen im Senat für unsere Argumente offen waren«, sagt Gewerkschafterin Kühnemann. 

Fairerweise muss man dazu sagen, dass die Finanzverwaltung mit dem ursprünglichen Rundschreiben lediglich auf ein Detail des in fast allen Bundesländern seit Jahren unverändert geltenden Tarifrechts hingewiesen hat. Auch ist der eigentliche Ansprechpartner für Fragen in diesem Kontext nicht der Senat, sondern die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL).

Die verwaltungs- und personalpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, Hendrikje Klein, die sich für eine Änderung der Regelung stark gemacht hat, weist dann auch darauf hin, dass es die TdL gewesen sei, die sich einig werden musste, wie der Tarifvertrag hier ausgelegt wird. »Ich freue mich jedenfalls, dass diese Ungerechtigkeit nun vom Tisch ist«, sagt Klein zu »nd«. Zumal der Fall für Berliner Verhältnisse im Rekordtempo gelöst worden sei: »Wenn es immer so laufen könnte.« 

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