So, es ist doch jetzt gut

Fynn Kliemann schimpft gegen »die Medien«, »wild gewordene Reporter« und die »woke, linke Szene«

Musiker, Youtuber, Influencer und Unternehmer: Fynn Kliemann ist seit Jahren erfolgreich, egal was er macht. Eine Recherche von Jan Böhmermann, »ZDF Magazin Royale«, hat diesen Erfolg jedoch ins Wanken gebracht. Kliemann soll Masken verkauft haben, die nicht wie behauptet fair in Europa produziert wurden, sondern in Bangladesch. Sie sollen zudem teils mangelhaft gewesen sein. Die Staatsanwaltschaft hat im Juni Ermittlungen wegen Betrugsverdachts aufgenommen. Kliemann selbst wies die Vorwürfe in einem Video auf Instagram am Wochenende erneut zurück – und mehr noch.

»So, es ist doch jetzt gut«, beginnt der Influencer sein fast vier Minuten langes Video, in dem er sich darüber aufregt, die Presse würde seinen Fall das ganze Sommerloch über weiter ausschlachten. »Natürlich habe ich Fehler gemacht«, sagt er. Die habe er eingesehen, verstanden und sich dafür entschuldigt. Offenbar ist die Sache für den »Alles selber machen«-Typen damit erledigt. Ob andere, eventuell Betroffene, ihm auch verziehen haben – egal. So wirken seine vorherigen Entschuldigungen mehr wie ein Ablasshandel statt wahrer Reue. Gleichzeitig bedient er sich einer Täter-Opfer-Umkehr: »Die Medien«, »wild gewordene Reporter« und die »woke, linke Szene« könnten einfach nicht akzeptieren, dass er nicht perfekt sei. Dabei ist es nicht mangelnder Perfektionismus, der ihm vorgeworfen wird, sondern dass er unter Behauptung falscher Tatsachen Corona-Masken verkauft habe. Doch der Tenor des Videos ist, wie der Blogger Sascha Lobo in seinem Podcast passend zusammenfasst: »Es fing alles damit an, dass die anderen zurückgeschlagen haben.«

Dabei kommt Kliemann in seinem Statement der Rhetorik diverser verschwörungsideologischer Telegram-Kanäle gefährlich nahe: »Ihr habt mich mit öffentlichen Geldern groß gemacht, dann habe ich nicht gespurt, und genau mit den gleichen Geldern soll ich jetzt zerstört werden.« Wer mit »ihr« gemeint ist, bleibt unkonkret. Was er mit »gespurt« meint, auch. »Die wollen, dass wir uns dafür schämen, dass wir nicht ihren Normen entsprechen, dass wir irgendwie anders sind«, sagt Kliemann und verdreht damit besorgniserregend, gegen Gesetze zu verstoßen, als »anders sein«. Er behauptet von sich selbst, das zu machen, vor dem so viele Leute Angst hätten: etwas komplett Neues.

Dieses Neue hat bei Kliemann absurd oft die Form eines Penis – ins Gras gebrannt oder auf die Wange gemalt. Auch in seinem jüngsten Videostatement wird der Penis plötzlich zum Symbol seines Freigeistes: »Wenn ich Bock habe, einen Riesenpimmel ins Feld zu sprengen, dann spreng ich einen Riesenpimmel ins Feld. Und zwar für die Freiheit.« Spätestens zu diesem Zeitpunkt denkt man sich beim Schauen des Videos nur noch: »So, es ist doch jetzt auch mal gut.«

Eines seiner bekanntesten Projekte ist das »Kliemannsland« im niedersächsischen Rüspel. Wer dort ist, hat Bock auf Basteln, Bauen, Blödsinn machen. Ein Ort »frei von Ängsten, Zwängen und Regeln. Ein Ort für mehr Motivation und Inspiration und weniger Erwartungen, Misstrauen und Ideologien«, wie es auf dessen Webseite heißt. Im Kliemannsland darf man so sein, wie man ist, wie man sein will, wie die »woke, linke Szene« einen nicht sein lässt. Wer eine Auszeit vom Alltag und seinen Regeln braucht, soll vorbeikommen, erklärt Kliemann auf Instagram. Es wäre wenig überraschend, wenn dort demnächst die Schwurbler und Rechten antanzen, um sich frei von Misstrauen und Ideologie für die Freiheit einzusetzen.

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