Anspruch und Wirklichkeit

Ex-Abgeordnete von AfD und FDP bilden eine eigene Parlamentarische Gruppe im Thüringer Landtag

  • Sebastian Haak, Erfurt
  • Lesedauer: 3 Min.
Abgeordnete sitzen während der Landtagssitzung im Plenarsaal des Thüringer Landtags. Foto: dpa-Zentralbild/dpa/Bodo Schackow
Abgeordnete sitzen während der Landtagssitzung im Plenarsaal des Thüringer Landtags. Foto: dpa-Zentralbild/dpa/Bodo Schackow

Es sind Worte, die immer fallen, wenn sich in der Welt der Politik Dinge ändern. Worte, die eigentlich Versprechen sind. So wie diese hier: »Wir stehen dazu, was wir unseren Wählern versprochen haben.« Oder: »Aufeinanderzugehen und nicht spalten, das ist unsere Devise.« Oder: »Im Mittelpunkt muss unser Bürger stehen.« Die ersten zwei Sätze sagt die Ex-FDP-Frau Ute Bergner am Donnerstag in Erfurt, in einem Beratungsraum des Thüringer Landtages. Der dritte Satz, gesagt ebenfalls an diesem Ort, stammt von Birger Gröning, ein Ex-AfD-Mann.

Wie auch die beiden Ex-AfD-Abgeordneten Tosca Kniese und Lars Schütze begründen Bergner und Gröning mit diesen und ähnlich klingenden Sätzen, warum sie heute nicht mehr Mitglieder der Fraktionen beziehungsweise Parteien sind, für die sie 2019 in das Landesparlament eingezogen sind und in dem sie sich nun zu einer neuen parlamentarischen Gruppe zusammenschließen wollen. Die Gründungsversammlung dazu hat bereits stattgefunden, allerdings muss die Gruppe noch formal durch den Landtag anerkannt werden. Zur Sprecherin der Gruppe ist Bergner gewählt worden, Gröning zu ihrem Stellvertreter.

Eine Gruppe hat weniger Rechte und bekommt weniger Geld als eine Fraktion, die mindestens fünf Abgeordnete umfassen muss. Ihre Mitglieder haben aber mehr Rechte und verfügen über mehr Geld als Einzelabgeordnete.

Dass alle vier – die derzeit als fraktionslose Abgeordnete im Landtag sitzen – an diesem Tag sagen, sie seien enttäuscht davon, wie es in der Politik zugeht und dass sie alle nun versuchen wollen, es besser und anders zu machen als alle anderen Politiker, das war zu erwarten. Nicht nur, weil derartige Bekundungen zu den grundlegendsten politischen Ritualen überhaupt gehören. Niemand, der politisch aktiv ist, sagt, er wolle gegen die Bürger arbeiten, spalten, Macht anhäufen. Sondern auch, weil vor allem Schütze unter großem öffentlichen Rechtfertigungsdruck stehen.

Bergner immerhin hat in der Vergangenheit bereits ausführlich dargelegt, warum sie die FDP verlassen hat und sich inzwischen bei der Kleinstpartei Bürger für Thüringen engagiert. Auch die neue Gruppe soll so heißen: Bürger für Thüringen. Und auch Kniese hat schon mehrfach erklärt, dass sie die Thüringer AfD – die inzwischen vom Landes-Verfassungsschutz als rechtsextrem beobachtet wird – zunächst für eine wirtschaftsliberale Partei hielt, die nach ihrer Wahrnehmung immer weiter nach rechts abgedriftet sei. Gröning hatte sich nach seinem Austritt aus der AfD im März 2022 bereits ähnlich geäußert.

Aber Schütze? Auch jetzt gibt er sich ausgesprochen zugeknöpft, als er begründen soll, warum er heute nicht mehr in der AfD ist, sondern wie auch die anderen Ex-AfD-ler ein Parteibuch der »Bürger für Thüringen« hat. Das besondere an seinem Fall: Anders als Kniese und Gröning ist er nicht aus der AfD ausgetreten, sondern wurde aus der Fraktion ausgeschlossen. Warum, das ist bis heute jedenfalls öffentlich nicht ganz klar. »Bei der AfD lief es halt nicht so, wie ich mir das gedacht habe«, sagt er auch jetzt nur. Genaue Angaben zu den Hintergründen seines Ausschlusses lehnt er ab, brummt stattdessen, er sei nicht hier, um über seine Vergangenheit zu sprechen.

Den Einwurf, dass das schwerlich zu der Transparenz passe, die die Mitglieder der Gruppe an diesem Tag auch immer wieder versprechen, wischt er mit diesem Satz bei Seite: »Das hat mit Transparenz ja nichts zu tun.« Anspruch und Wirklichkeit klaffen also auch bei dieser Gruppe offenkundig auseinander.

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