Pleiten, Pech und Pannen bei der Tour de France

Nicht nur die Fahrer werden mal durch Defekte ausgebremst. Das trifft ab und zu auch mal die Berichterstatter

  • Tom Mustroph, Lille
  • Lesedauer: 3 Min.

Während Defekte und Stürze auf der Kopfsteinpflaster-Etappe von Lille nach Arenberg vor allem dem Team Jumbo-Visma um die beiden Kapitäne Primož Roglič und Jonas Vingegaard sowie den Gelbträger Wout van Aert zusetzten, schlug die Pechmarie auch jenseits der Rennstrecke zu. In mittlerweile 20 Jahren Tour war diese Etappe die erste, bei der ich nicht das Ziel erreichte. Das Auto streikte. Die Lenkung setzte mehrfach aus. Weiterfahren wäre für mich und meine Kollegen zu gefährlich gewesen.

Der Pannendienst brauchte mehr als drei Stunden zu uns, versprach dann aber, dass es am ursprünglichen Verleihort Dünkirchen ein Ersatzfahrzeug gebe. Als wir dort ankamen, erwartete uns jedoch die nächste böse Überraschung: Die Filiale war zu. Sie machte auch den ganzen Nachmittag nicht auf, und ein neues Fahrzeug gab es selbstverständlich auch nicht. Just zu dem Zeitpunkt als mir dämmerte, dass es mit dem Erreichen des Etappenziels knapp werden würde, stürzte Tour-Spitzenreiter Wout van Aert. Welch komischer Zufall!

Die Mitarbeiter des Pannendienstes versicherten alsdann, dass am nächsten Tage ganz bestimmt ein Auto in Dünkirchen zur Verfügung stehe. Noch aber hatte ich nicht aufgegeben. Genau wie Wout van Aert wollte auch ich unbedingt noch an diesem Tag am Ziel in Arenberg ankommen. Der Belgier hatte sich mittlerweile ins Hauptfeld zurückgekämpft. Das sollte doch auch mir möglich sein.

Also insistierte ich, und der vierte Mitarbeiter im Callcenter fand doch tatsächlich einen weiteren Wagen, nur leider in Lille. Immerhin organisierte der Verleiher die bezahlte Taxifahrt – nur kam jenes Taxi aus Calais. Warum auch immer! In der Wartezeit wurde erst Mitfavorit Vingegaard von einer defekten Kette aufgehalten, dann fiel Roglič vom Rad, kugelte sich die Schulter aus und danach selbst wieder ein. Jumbo-Visma begann die spannende doppelte Aufholjagd. Wir bekamen davon kaum etwas mit und machten uns stattdessen auf den Weg nach Lille.

Van Aert konnte konnte sein Gelbes Trikot schließlich wirklich noch verteidigen. Der Rückstand von Vingegaard hielt sich auch in Grenzen. Nur für Roglič rückte das Gelbe Trikot in weite Ferne. Und ich? Mich erwartete der nächste Rückschlag. Die Station in Lille hatte entgegen der Information des Kundendienstes doch kein freies Fahrzeug mehr. »Ich habe kein Auto, und selbst wenn ich eines hätte, habe ich keinen Servicemitarbeiter, der es leihfertig machen könnte«, meinte die Mitarbeiterin am Tresen. Auch für den nächsten Tag sei kein Wagen da. Es herrsche ein Verleihstopp, sagte sie noch. In der Pandemie sei die Flotte massiv reduziert worden – und nun reiche es nicht für die wieder angezogene Nachfrage.

Corona führte sogar zur Schließung ganzer Verleihstationen. Das hatten wir schon zu Beginn unserer diesjährigen Odyssee erfahren, als der ursprüngliche Leihvertrag einfach annulliert worden war, weil die Rückgabestation in Mülhausen aufgegeben wurde. Später hatten wir für mehr Geld ein anderes Auto bekommen, nur um jetzt in Lille zu stranden. Also doch wieder zurück nach Dünkirchen. Dort gebe es morgen ganz bestimmt ein Auto, sagte die Frau. Kosten für Hotelzimmer in Lille und die Rückfahrt übernehme der Verleiher.

Zum Glück gilt für Tourberichterstatter nicht die Regel: Wer das Etappenziel nicht erreicht, fliegt raus. Nein, wir machen weiter. Wann wir den Tross wieder einholen, ist zum Zeitpunkt des Schreibens dieser Zeilen allerdings noch völlig ungewiss.

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