Alleinunfälle unter Alkohol

Das Unfallgeschehen offenbart Regelungsbedarf vor allem bei E-Rollern

Die Elektromobilität nimmt nicht nur bei den Pkw zu. Deutlich auffälliger als die Autos mit dem neuen Antrieb sind gerade in den Innenstädten die E-Scooter. Vor allem in Großstädten existiert ein großes Angebot verschiedener Verleihfirmen, das immer mehr in die Randgebiete ausgedehnt wird. Mit dem Roller lassen sich am besten kurze innerstädtische Wege bewältigen.

Ebenfalls zugenommen hat in den letzten Jahren die Nutzung elektrisch motorisierter Fahrräder. Zunächst waren sie vor allem bei Älteren beliebt, jetzt werden die Käufer immer jünger und die hochpreisigen Modelle immer schnittiger.

Die Veränderungen bei den genutzten Fahrzeugen spiegeln sich auch in der Unfallbilanz wider, die vom Statistischen Bundesamt am Dienstag in Wiesbaden vorgestellt wurde. Ausgangspunkt war dabei erst einmal die Verteilung der im Straßenverkehr Verunglückten nach Art der Fortbewegung. So wurden 2021 insgesamt fast 326 000 Menschen verletzt oder getötet, rund die Hälfte waren Pkw-Insassen. Aber schon jedes vierte Unfallopfer war mit einem Fahrrad unterwegs, hier die mit und ohne Motor zusammengenommen.

Die motorisierten Räder machten etwa ein Fünftel der Gruppe aus. Diese sogenannten Pedelecs sind rechtlich zu unterscheiden von S-Pedelecs und E-Bikes, die beide als Kleinkrafträder eingestuft werden. Für diese ist entweder ein Führerschein der Klasse AM oder eine Prüfbescheinigung für Mofas Nutzungsvoraussetzung, außerdem unter anderem ein Versicherungskennzeichen und das Tragen eines Helms.

Zurück zu den Pedelecs. Deren Motoren unterstützen die Fahrenden, solange sie treten, bis maximal 25 Kilometer pro Stunde; einige Modelle verfügen über Anfahrhilfen bis maximal 6 Kilometer pro Stunde. Die Absatzzahlen zeigen die wachsende Beliebtheit dieser Fahrzeuge, die ohne Führerschein genutzt werden können. 2014 verkaufte die Zweirad-Industrie 480 000 Pedelecs, 2021 waren es schon zwei Millionen. Etwa 13 Prozent der Privathaushalte verfügen über solch ein Fahrrad.

2014 lag die Zahl der Unfälle mit Personenschaden bei 2245 – das war allerdings das erste Jahr, in dem die polizeiliche Unfallanzeige bundesweit diese Zweiräder gesondert erfasste. 2021 wurden dann schon 17 285 Unfälle registriert. Hingegen sank die Zahl der Unfälle mit nicht motorisierten Fahrrädern von 76000 im Jahr 2014 auf knapp 68000 im Jahr 2021.

Nicht nur die Zahl der Unfälle mit Pedelecs steigt, auch die Zahl der dabei Getöteten wuchs: Von 39 (2014) auf 131 im Vorjahr. Über die Jahre wurden nicht nur die Nutzer jünger, sondern auch die Unfallopfer. Unter den Todesopfern 2021 waren 68 Prozent 65 Jahre und älter. Bei den Unfallzahlen ist zu berücksichtigen, dass bei Älteren die Wahrscheinlichkeit höher ist, sich bei einem Sturz schwer oder tödlich zu verletzen.

Die Unfälle mit E-Scootern hatten am Gesamtgeschehen 2021 nur einen Anteil von zwei Prozent. Der relativ geringe Anteil an allen Unfällen mit Personenschäden ist zum Teil damit zu erklären, dass es sich hier um ein Großstadt-Phänomen handelt. Die Unfälle ereignen sich häufig nachts, die Opfer sind meistens jünger und überwiegend männlich.

Am häufigsten werden Stürze dadurch ausgelöst, dass die Nutzer die Kontrolle über das Fahrzeug verlieren. An zweiter Stelle stehen Konflikte beim Abbiegen oder Kreuzen von Verkehrswegen. Die Polizei erfasst bei Unfällen aber auch mögliches Fehlverhalten der Fahrer. Für die E-Roller steht hier das Fahren unter Alkohol an der Spitze, an zweiter Stelle die falsche Straßennutzung – also zum Beispiel auf dem Bürgersteig oder entgegengesetzt der Fahrtrichtung auf Einbahnstraßen oder Radwegen.

Die Häufung der Unfälle in der Nachtzeit lässt zugleich vermuten, dass hier ein großes Dunkelfeld existiert. Frühere Statistiken der Versicherungsbranche weisen darauf hin, dass nur jeder vierte Unfall mit Personenschaden polizeilich erfasst wird.

Dem entspricht eine in diesem Jahr veröffentlichte Studie in der Fachzeitschrift »Der Unfallchirurg«. In einer deutschen universitären Notaufnahme wurden typische Verletzungsmuster nach Unfällen mit E‑Scootern, E‑Bikes und Fahrrädern über einen Zeitraum von 16 Monaten bis Ende 2020 analysiert. Es wurden 68 verunglückte E‑Scooter-Fahrer erfasst. Davon waren signifikant mehr männlich, das mittlere Alter betrug 31 Jahre, und lediglich knapp 12 Prozent der Unfälle wurden polizeilich registriert. Wie auch bei den verunglückten Rad- und E-Bike-Fahrern lagen die meisten Verletzungen im Kopfbereich, gefolgt von Verletzungen an den oberen Extremitäten. Die E-Scooter-Fahrer mussten deutlich länger im Krankenhaus bleiben; bei ihnen war die häufigste Unfallursache die Kollision mit dem Bordstein.

Hinzu kommt, dass bestimmte Unfälle in Zusammenhang mit den E-Rollern noch gar nicht in der Statistik erfasst sind: nämlich die mit abgestellten Scootern. Weil hier die Regelungen noch vage sind, aber offensichtlich das Geschäftsmodell der ständigen Verfügbarkeit aufrechterhalten werden soll, entstehen neue Risiken für Fußgänger und andere Verkehrsteilnehmer. Im Zuge der nötigen Mobilitätswende gibt es in diesem Bereich auf jeden Fall noch Regelungsbedarf, auch in Sachen Helmpflicht.

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