Expertenstreit um BA.5

Wie gefährlich ist die aktuelle Omikron-Variante?

BA.5 zeichnet sich gegenüber früheren Omikron-Varianten durch Mutationen am Spike-Protein aus, mit dem das Virus an Körperzellen andockt. Die neuen Subtypen haben die Immunflucht perfektioniert: Wie US-Forscher um Dan Barouch vom Beth Israel Deaconess Medical Center in Boston in einer Testreihe auf neutralisierende Antikörper ermittelten, schützen Impfung und Genesung gegen BA.4 oder BA.5 bis zu 20-mal schwächer als gegen den Ursprungstyp des Virus. Selbst eine Omikron-Infektion mit BA.1 und BA.2 hat kaum eine Schutzwirkung mit Blick auf symptomatische Erkrankung – ärgerlich für viele Millionen Bundesbürger, die nach der Frühjahrsrekordwelle dachten, jetzt aber wirklich mit Corona durch zu sein. Mit Blick auf die T-Zell-Immunität, die vor schweren Krankheitsverläufen schützt, sind Impfung wie Infektion aber offenbar weiter gut wirksam.

Umstritten unter Fachleuten ist indes, wie gefährlich der jetzige Subtyp ist. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hält diesen für »ansteckender und etwas gefährlicher«. Er verweist auf eine Laboruntersuchung aus den USA, bei der wie einst bei der Delta-Variante ein Enzym namens TMPRSS2 entdeckt wurde, das den Zelleintritt beschleunigen kann. Diese höhere Virulenz führe auch zu schwereren Erkrankungen, meinen einzelne Experten. Lediglich die bessere Immunität durch Impfung und Infektion in der Bevölkerung verhindere Schlimmeres.

Andere verweisen hingegen auf die Empirie: In Südafrika mit einer allerdings jüngeren Bevölkerung und einem anderen Immunstatus ist die BA.5-Welle ohne nennenswerte Belastung des Gesundheitssektors durchgelaufen. Hierzulande haben zwar die Hospitalisierungen deutlich zugenommen, doch Fälle auf Intensivstationen und vor allem die Todesfälle bleiben auf niedrigem Niveau. Der Hallenser Infektiologe Alexander Kekulé wird nicht müde zu betonen, dass BA.5 wie die vorherigen Omikron-Varianten nicht die Lunge, sondern die oberen Atemwege befalle und es deshalb meist bei Erkältungssymptomen bleibe. Aber letztlich muss man es wohl mit einer älteren Aussage der Frankfurter Virologin Sandra Ciesek halten: »Bisher gibt es keine Beweise, dass sich die Krankheitsschwere mit BA.4/BA.5 wesentlich verändert hat. Abschließend ist das aber noch nicht geklärt.«

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