Ein Hauch sozialer Wärme

Wie Kanzler Olaf Scholz und seine SPD die Bürger*innen beim Wohngeld entlasten wollen

  • Max Zeising
  • Lesedauer: 3 Min.
Von Wohngeld profitieren Menschen, die bedürftig sind, aber keine Sozialleistungen beziehen.
Von Wohngeld profitieren Menschen, die bedürftig sind, aber keine Sozialleistungen beziehen.

»You’ll never walk alone!« – Dieses allseits bekannte Musikstück, oft gehört und gesungen in den Fußballstadien dieser Welt, zitierte Olaf Scholz auf einer Pressekonferenz am Ende der vergangenen Woche. Die Botschaft: Wir lassen die Bürger*innen nicht allein. Eine für den sonst so monotonen Bundeskanzler geradezu pathetische Formulierung, die jedoch in diesen Tagen allzu schnell in den leergefegten Portemonnaies und Girokonten der deutschen Bevölkerung verhallen mag. Seit Russlands Einmarsch in die Ukraine haben die Bürger*innen mit erheblichen Preissteigerungen bei Energie und Lebensmitteln zu kämpfen, müssen viele Leute jeden Cent dreimal umdrehen. Und dann ist da noch die FDP und insbesondere Finanzminister Christian Lindner, die viele sozialpolitische Maßnahmen auszubremsen versuchen: Man denke nur an Lindners Blockaden gegen eine mögliche Fortsetzung des 9-Euro-Tickets und die – im Vergleich zum Vorgänger Hartz IV – recht gutherzigen Pläne von Arbeitsminister Hubertus Heil zur Bürgergeld-Einführung.

Im Prinzip muss der Kanzler gegen beides ankämpfen: die soziale Not des Wahlvolkes und den eigenen Koalitionspartner, der offenbar alles dafür tut, sein Image als Klientelpartei geradezu klischeehaft auszufüllen, während die Ampel-Regierung als Ganze die verdorbenen Früchte der jahrelang – auch unter SPD-Beteiligung – vorangetriebenen Abhängigkeit von Kriegstreiber Putin erntet.

Sich unter diesen Umständen als sozialpolitische Größe zu inszenieren, fällt der SPD gewiss nicht leicht – doch wie ernst meint es Scholz selbst mit seinem einstigen Wahlkampf-Slogan »Respekt für dich«? Als Versuch, einerseits die aktuell dürftigen Umfragewerte (nur 25 Prozent halten ihn im Vergleich mit Friedrich Merz, CDU und Robert Habeck, Grüne, für den geeigneten Kanzler) aufzuhalten und andererseits, viel wichtiger, die Menschen aus der Klemme zu führen, darf die von Scholz auf ebenjener Pressekonferenz angekündigte »große Wohngeldreform« gewertet werden. »Zu Anfang nächsten Jahres« solle diese in Kraft treten. Der Kreis der Berechtigten solle ausgeweitet, der Heizkostenzuschuss »dauerhaft« integriert werden. »Ganz besonders« sollten davon Rentner*innen profitieren, die einen großen Teil der Wohngeldempfänger*innen ausmachen. Im Übrigen: auch des Wahlvolkes. Weitere Details blieben zunächst offen. Seinen Vorstoß hatte Scholz zuvor mit Lindner abgestimmt, die Einzelheiten werden derzeit noch zwischen den zuständigen Ministerien der Bundesregierung ausgehandelt. Der Finanzminister gab sich zuversichtlich, dass er die Schuldenbremse ab 2023 auch mit Wohngeldreform wie geplant wieder einhalten kann – das will er unbedingt.

Nun hat sich die SPD-Bundestagsfraktion in die Debatte eingebracht. Nach deren Willen soll das Wohngeld durch eine frühere Anhebung der Sätze und durch neue Berechnungsmethoden steigen. Es gehe um eine »vorgezogene Dynamisierung« und die Integration einer Klima- sowie einer Heizkostenkomponente, sagte der wohnungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Bernhard Daldrup. Konkret schlägt er eine »außerordentliche Wohngeldanpassung« vor. Die zweijährliche Anpassung der Leistung an die allgemeine Mieten- und Verbraucherpreisentwicklung solle statt 2024 bereits 2023 stattfinden. Wohngeldberechtigte sollen zudem einen nach der Haushaltsgröße gestaffelten pauschalen Heizzuschlag pro Quadratmeter-Wohnfläche bekommen. Außerdem spricht sich die SPD Daldrup zufolge dafür aus, die Miethöchstbeträge in der Wohngeldberechnung pauschal anzuheben. Bei der Berechnung würden also teurere Mieten anerkannt als bisher. Begründet wird das damit, dass die Erreichung der Klimaziele im Gebäudesektor zu höheren Wohnkosten führe: »Die steigenden Energiepreise belasten vor allem Mieterinnen und Mieter mit niedrigen Einkommen. Die SPD-Bundestagsfraktion ist der Auffassung, dass die steigenden Energiekosten im Wohngeld abgebildet werden sollen.«

Und was macht Lindner? Der muss sich mit dem Vorwurf herumschlagen, er habe ein neues Hilfsprogramm für Geringverdiener*innen verhindert. Diese Darstellung sei »unzutreffend«, sagte der Minister und verwies dabei auf seine Pläne zur Dämpfung oder Verhinderung der sogenannten kalten Progression, bei der Gehaltszuwächse durch steigende Steuersätze wieder aufgezehrt werden. Allerdings gibt es Kritik, Lindners Vorhaben würden einmal mehr vor allem Spitzenverdiener*innen entlasten. Arme Menschen hätten nichts davon.

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