Piloten drohen mit Streik

Bei der Lufthansa könnten auch die Tarifkonflikte mit dem fliegenden Personal eskalieren

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit breiter Brust geht die Pilotengewerkschaft Cockpit (VC) in die weitere Tarifauseinandersetzung mit der Lufthansa. In der Passagiersparte votierten bei einer Urabstimmung 97,6 Prozent der Teilnehmenden für einen Streik. Bei der Frachttochter Cargo war die Zustimmung mit 99,3 Prozent sogar noch höher. Die Beteiligung an der Urabstimmung lag laut Cockpit deutlich über 90 Prozent. Die Gewerkschaft fordert eine Gehaltserhöhung um 5,5 Prozent für dieses Jahr, einen automatischen Inflationsausgleich sowie eine Anpassung der Tarifstruktur innerhalb der beiden Sparten. In den bisherigen sechs Tarifrunden habe es keine substanziellen Fortschritte gegeben, erklärte VC-Sprecher Matthias Baier.

Auch die Tarifflucht mittels Ausgliederung durch Tochterunternehmen ist der Gewerkschaft ein Dorn im Auge. Für Ferienflüge ab Frankfurt am Main ist bereits Eurowings Discover im Einsatz. Die bislang in Wien angesiedelte Eurowings Europe soll ihren Geschäftssitz nach Malta verlegen. Dazu kommt ferner eine neue Konzerneinheit, die unter dem Projektnamen »Cityline 2« Zubringerflüge nach Frankfurt durchführen soll – mit deutlich niedrigeren Kosten als die Kernmarke Lufthansa. Eine Vereinbarung, laut der Lufthansa 325 Flugzeuge in der Kernmarke betreibt, wurde von der Konzernspitze im Zuge der Corona-Pandemie und der damit einhergehenden temporären Stilllegung von rund 100 Flugzeugen gekündigt. Dabei handelte es sich allerdings nicht um eine tarifliche Vereinbarung. Generell befindet sich Cockpit in einem recht engen rechtlichen Korsett, denn bereits 2015 hatte das hessische Landesarbeitsgericht einen entsprechenden Streikaufruf für rechtswidrig erklärt, da Fragen der Konzernstrategie laut deutschem Recht kein Streikgrund seien.

Die Einbeziehung der Tochterfirmen in die deutlich besseren tariflichen Regelungen des Mutterkonzerns ist ebenfalls nicht Gegenstand der aktuellen Tarifrunde bei Lufthansa. Denn die schließen jeweils eigene Tarifverträge ab, die derzeit der Friedenspflicht unterliegen. Die Vergütungen liegen dort bis zu 40 Prozent unter denen im Mutterkonzern.

Die Auseinandersetzung mit Cockpit trifft den Konzern zur Unzeit. Er setzt vor allem auf ein rigides Sparprogramm. Dazu gehörte auch der Abbau von rund 36 000 Stellen. Zwar hat die Lufthansa die staatlichen Hilfsgelder von insgesamt neun Milliarden Euro inzwischen zurückgezahlt, musste dafür aber erhebliche Schulden am Kapitalmarkt aufnehmen. Insgesamt wuchs der Schuldenberg bis Ende 2021 auf 16,7 Milliarden Euro. Der Konzern setzt daher weiter auf »Kostensenkung«. Doch die Gewerkschaften wehren sich. Erst vor einer Woche hatte ein 26-stündiger Warnstreik des bei der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi organisierten Bodenpersonals den Flugbetrieb weitgehend lahmgelegt. Über 1000 Flüge mussten gestrichen werden, 130 000 Passagiere waren betroffen.

Verdi fordert für die rund 20 000 am Boden beschäftigten Mitarbeiter 9,5 Prozent mehr Lohn bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Mit mehreren Konkurrenzunternehmen der Lufthansa hat Verdi inzwischen Tarifabschlüsse erzielt, die teilweise deutlich über dem Niveau der Lufthansa liegen.

VC-Pressesprecher Matthias Baier gab sich in Bezug auf den Tarifstreit gegenüber »nd« gelassen. Das Management habe signalisiert »dass man das Signal, das von der Urabstimmung ausgeht, verstanden hat«. Derzeit befinde man sich in der »Terminfindungsphase« und gehe davon aus, dass es »zeitnah« weitere Verhandlungen geben werde, bei denen es substanzielle Fortschritte geben könnte. Zwar könne er einen Streik als letztes Mittel nicht ausschließen, doch er gehe davon aus, dass auch der Konzern ein großes Interesse habe, dies zu vermeiden, erklärte Baier. In der Tat hätte ein Streik, der möglicherweise auch noch den Rückreiseverkehr der Feriensaison betreffen würde, gravierende Auswirkungen.

Der Konzern wird jedenfalls nicht so schnell zur Ruhe kommen. Denn bereits im Oktober droht die nächste Tarifauseinandersetzung mit einer weiteren Berufsgruppe – den Flugbegleitern. Deren Gewerkschaft UFO hat bereits angekündigt, dass sie auf eine Korrektur des dann auslaufenden »Beschäftigungssicherungs-Tarifvertrags« drängen wird, der mit erheblichen Lohneinbußen verbunden war. Bisherige Gespräche haben offenbar noch zu keiner Annäherung geführt.

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