Shakespeares Traum

Das Leben als Komödie nehmen: »Ein Sommernachtstraum«

  • Hagen Bonn
  • Lesedauer: 2 Min.

Der große Tschuang-tse (365–290 v. u. Z.) träumte einst, er sei ein Schmetterling, der im Blütenland von Blume zu Blume schwingt und nichts weiß vom Herrn Tschuang-tse. Als der Philosoph erwachte, wusste er sogleich, dass er ebendieser Herr doch war. Oder war er eigentlich ein Schmetterling? Ein Schmetterling, der träumte, er sei ein Philosoph? Philosoph. Schmetterling. Da ist doch ein Unterschied!

Und ebenjenen Unterschied wollte der Herr Shakespeare in seinem Theaterstück »Ein Sommernachtstraum« untersuchen. Neben dem Traum spielt freilich auch die Liebe eine Hauptrolle. Die kindlich-sentimental-naive, also die psychiatrische. Das weist auf die Neurotransmitter hin, deren Einfluss bei Verliebten pathologische Ausmaße annimmt. Kurz: Verliebte gehören in eine Anstalt. Aber das geht ja vorbei …

Auch der »Sommernachtstraum« geht vorbei. Nach fünf Akten. Und er wird tatsächlich zumeist im Sommer aufgeführt. Gern draußen. Da kann man sich sehen lassen, denn das Stück hat allerhand zu bieten und ist deswegen eins der am häufigsten gespielten überhaupt!

Warum? Schauen wir auf die Zutatenliste der Komödie: Figuren, die sich in Täuschungen und Verwicklungen nur so suhlen. Überall Verliebte (zum Teil auch ohne Medikation). Traum und Traumhaftes. Liebesverrat! Liebesschwur! (Warum gibt es eigentlich für ein Ding zwei Wörter?) Und am Ende wird alles gut. Davor aber noch ein Theaterstück im Theaterstück! Alles ist mit allem verwoben und verworren: Moderne, Mythen, eine Feenwelt und antikes Landleben.

Aber halt! Man kann nicht den gesamten Inhalt eines Kühlschranks pürieren und aufs Brot streichen und erwarten, dass das schmeckt. Oder doch? Herr Shakespeare ist ja vor allem deshalb als Genie bekannt, weil sein Aufstrich nachgewiesenermaßen vorzüglich mundet! Zusammengefasst geht es ihm um die Frage: Was ist Illusion, und was ist Realität? Darüber haben sich jahrtausendelang die Philosophen zerstritten. Verliebte nicht …

Schein, Sein? Herr Shakespeare macht sich erst gar nicht die Mühe, das zu klären. Ich behaupte glatt, er wollte zeigen, dass das müßig ist. Nehmt das Leben als Komödie! Aber denkt ihr darüber nach, dann gibt’s eben eine Tragödie. Macht: Was ihr wollt. Wie es euch gefällt. Er meint also: Viel Lärm um nichts. Verlorene Liebesmüh. Und: Ende gut, alles gut.

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