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»Megahaie« durch Meeresschutzgebiete?
Ein Dokumentarfilm berichtet von Haien, die bis zu einem Drittel größer seinsollen als andere Haie. Experten halten die Erklärung für abwegig
Forscher seien »fassungslos«, hieß es in einem von mehreren Artikeln, die vor Kurzem über Haie im Pazifik berichteten, die »wahnsinnige« Größen erreichen würden. Die Artikel verwiesen allesamt auf einen neuen Dokumentarfilm von »National Geographic«. Dieser soll herausgefunden haben, dass Tigerhaie im Südpazifik etwa ein Drittel größer werden als andere Tigerhaie. Außerdem sollen auch Weiße Haie zu enormer Größe heranwachsen: Über sechs Meter lange Exemplare seien in der Region – die Rede ist von Hawaii und Französisch-Polynesien – gesichtet worden. Laut den Medienberichten schrieben die Forscher »diesen Größenboom« Schutzzonen zu. Dort würden die Raubfische wieder deutlich mehr Beute vorfinden. Außerdem würden sie selbst dort auch von der Fischereiindustrie verschont bleiben.
Doch werden Weiße Haie und Tigerhaie tatsächlich deutlich größer – und damit potenziell auch für den Menschen gefährlich? Ein Faktencheck zeigt, dass die Behauptung, die in zahlreichen Medien veröffentlicht wurde, zumindest eine Vereinfachung ist.
So wurde Kori Burkhardt, eine Meeresbiologin, die auch in der Dokumentation gezeigt wird, in einer Presseerklärung von »National Geographic« zitiert, obwohl sie nach eigenen Aussagen »keine Interviews« dafür gegeben hat. Und ein Zitat, das manche Medien verwendeten und in dem von sogenannten Megahaien die Rede war, stamme nicht von ihr, betonte Burkhardt, sondern von PR-Leuten. Von dort an habe sich die Behauptung dann »verselbstständigt«.
»Haie nutzen Schutzzonen nicht aus, um zu monströsen oder Megagrößen heranzuwachsen«, so Burkhardt. Es gebe Schutzzonen, damit Haie ihre natürliche und ökologisch wichtige Größe erreichen könnten. Zuvor seien sie aufgrund der »wahren Monster«, nämlich der Menschen, abgeschlachtet worden. Bei den sogenannten Megahaien handele es sich nicht um eine genetische Variation. »Es konnte wissenschaftlich nachgewiesen werden, dass Tigerhaie im Pazifik größer sind als im Atlantik«, schrieb Burkhardt in einer E-Mail. Die Unterschiede seien jedoch nicht sehr groß.
»Der Hai in der Dokumentation ist der größte Tigerhai, der auf Unterwasseraufnahmen aufgenommen wurde, aber er ist nicht der größte, der jemals gespottet wurde, wenn man die Fangdaten von Fischern berücksichtigt«, sagte sie. In ihren Augen sei es »höchst unverantwortlich« zu behaupten, dass Schutzzonen »Megahaie« schaffen würden. Denn dies könnte Angst in der Öffentlichkeit auslösen und manche Menschen sogar vom Naturschutz abbringen.
Christopher Lowe, ein US-amerikanischer Haiexperte und Direktor des Shark Lab der California State University Long Beach, der in den Artikeln ebenfalls mit einem Zitat aus einem anderen Kontext erwähnt wird, betonte in einem Videotelefonat, dass er der Einschätzung, dass Meeresschutzgebiete zu größeren Weißen Haien und Tigerhaien führen würden, nicht zustimme. »Die meisten Meeresschutzgebiete existieren noch nicht lange genug, um diese Art von Nutzen zu bringen, und Haie brauchen lange, um eine so enorme Größe zu erreichen – 30, 50 oder sogar 70 Jahre.«
Weiße Haie und Tigerhaie seien zudem Arten, die sich nicht lange genug in diesen relativ kleinen Schutzzonen aufhalten würden, da sie migrieren würden. Und: »Es gibt keine Schutzzonen, die groß genug sind, um einen solchen Unterschied zu machen.« Einige Nahrungsquellen zu schützen, reiche höchstwahrscheinlich nicht aus, um sogenannte Megahaie zu erschaffen.
Auch der Faktencheck in Südaustralien – einer weiteren Region mit vielen großen Hai-Spezies und Meeresschutzgebieten, konnte die Behauptung nicht bestätigen. Andrew Fox, ein Australier, der Hai-Touren in Südaustralien organisiert und sich gleichzeitig für den Schutz der Raubfische engagiert, berichtete, dass er weder bei den Weißen Haien rund um die Neptuninseln in Südaustralien, wo er Touren durchführe, noch bei anderen großen Arten eine Zunahme der Größe festgestellt habe. »Es sind wahrscheinlich die weniger gefährlichen und kleineren Riffhaie, die am meisten von geschützten Gewässern profitieren«, so Fox.
Grundsätzlich zeige seine Erfahrung aber, dass Meeresschutzgebiete das Wachstum aller Arten unterstützen und eine gesunde Haipopulation einem gesunden Ökosystem entspricht. An deutlich größere Haie wegen der Schutzzonen glaube er aber insofern nicht, da Raubtiere an der Spitze der Nahrungspyramide dazu neigen würden, sich selbst zu regulieren. Letzteres stelle wahrscheinlich sicher, »dass diese Tiere die Ressourcen nicht übermäßig ausbeuten«. Zudem gehe von größeren Weißen Haien nicht unbedingt eine erhöhte Gefahr für den Menschen aus, da oft nicht die größeren, reiferen Haie für Angriffe auf Menschen verantwortlich seien, sondern die jüngeren, unerfahreneren Tiere. »Ältere Weiße Haie bleiben oft weiter draußen im Meer.«
Charlie Huveneers, ein Meeresbiologe und Haiforscher der Flinders University in Adelaide in Südaustralien, bestätigte die Einschätzungen von Fox für die Region und betonte gleichzeitig, wie wichtig Schutzzonen für die Tierwelt seien. »Gut gestaltete und regulierte Meeresschutzgebiete können die Vielfalt, Häufigkeit und Größe von Fischen sowie ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber Klimaveränderungen erhöhen«, sagte er. Grundsätzlich würden Meeresschutzgebiete am meisten Vorteile für Tierarten bieten, die in der Region lebten, doch auch Tiere, die nur zum Laichen oder zur Aufzucht ihres Nachwuchses in die Region kämen, würden von Schutzgebieten profitieren.
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