Das Wohlleben auf Gut Sonnenburg

Mit Werner Gerber als Eigentümer geht die Sanierung des alten Herrenhauses bei Bad Freienwalde voran

  • Andreas Fritsche, Bad Freienwalde
  • Lesedauer: 6 Min.

»Vielen Dank, auch wenn ich am Anfang gegen diesen Turm war«, sagt Werner Gerber, als ihm Brandenburgs Kulturministerin Manja Schüle (SPD) den Förderbescheid über 21 000 Euro überreicht. Der alte Uhrenturm, der mithilfe der Fördermittel denkmalgerecht restauriert wird, steht aufgebockt am Fuße eines sanften Hanges auf einer Wiese. Er gehört eigentlich auf das 1812 errichtete Herrenhaus von Gut Sonnenburg, heute ein Teil von Bad Freienwalde (Märkisch-Oderland). Doch das Herrenhaus wird gerade saniert, und Schüle konnte gerade erst bei einer Begehung von innen in die Wolken schauen.

Der Dachstuhl ist über dem Mittelteil des Gebäudes entfernt. Es spannt sich nur – nicht ganz vollständig – eine Regenplane über die bröckelnden Außenmauern. An dieser Stelle ist das Herrenhaus fast vollständig entkernt. Eigentümer Werner Gerber hätte gern die eine oder andere Wand erhalten. Doch die Baufachleute hatten ihm immer wieder gesagt, diese und jene Wand müsse heraus. Es stecke der Schwamm darin. So erzählt es Gerber und zieht die Schultern hoch.

Auf den historischen Uhrenturm zum Abschluss der Bauarbeiten hätte Gerber aber eben gern verzichtet. Ihm schwebte eine Glaskuppel ähnlich wie über dem Berliner Reichstag vor. »Wir wollen ja nicht die Vergangenheit, wir wollen Zukunft«, sagt er. Aber da spielte die Denkmalschutzbehörde nicht mit. Nun also doch der etwas klobige Uhrenturm aus einer Zeit, da der Ausdruck demokratischer Gesinnung durch eine transparente Glaskuppel nicht das architektonische Mittel der Wahl gewesen ist.

Im vergangenen Jahr stellte das Kulturministerium bereits 37 500 Euro für den ersten Abschnitt der Restaurierung des Turms bereit, nun schießt es 21 000 Euro für den zweiten Abschnitt nach. Das reicht aber nicht zur Deckung der Kosten, auch wenn das dem Türmchen nicht auszusehen ist. »Das ist viel teurer«, sagt Gerber in einem Ton, der noch einmal sein Bedauern ausdrückt, dass er keine Glaskuppel genehmigt bekam – selbst wenn diese sicher ebenfalls nicht billig gewesen wäre.

»Am Gut Sonnenberg sind schon viele gescheitert, mit Herrn Gerber als Eigentümer geht es endlich voran«, lobt Bad Freienwaldes Bürgermeister Ralf Lehmann (CDU). Das Vorwerk Sonnenburg wurde 1957 in die Stadt eingemeindet. Die Berliner Wohl-Leben GmbH hatte das hiesige Gut im Jahr 2015 erworben, um mit dem gemeinnützigen Verein Gut Sonnenburg das seit der Wende allmählich dem Verfall preisgegebene Ensemble wieder zum Leben zu erwecken.

2018 löste Werner Gerber, Geschäftsführer der Wohl-Leben GmbH, das Herrenhaus und einen Teil des Gutsparks aus der GmbH heraus und konzentriert sich privat darauf, diese zu erhalten. Die Fortschritte sind links und rechts der Baustelle des Herrenhauses nicht zu übersehen. Der rechte Teil des Herrenhauses ist vermietet – die Bewohner machen gerade Urlaub, sind also nicht da. Diesen Bereich kann sich Kulturministerin Schüle also nur von außen anschauen. Doch den linken Teil bewohnt Werner Gerber selbst mit seiner Frau Cynthia Berman-Gerber. Beide führen bereitwillig vom Keller über eine Treppe hoch in die gemütlich eingerichteten Räume, öffnen Türen und beantworten alle Fragen. Zum Schluss geht es über eine Terrasse auf die Wiese und zu einem kleinen Häuschen am Waldessaum.

Weniger schön – und das ist noch sehr vorsichtig ausgedrückt – präsentiert sich die alte Mühle nebenan. Hier können die Gerbers niemanden einlassen. Es bestehe Einsturzgefahr, habe ihn ein Gutachter gewarnt, erklärt Werner Gerber. Man glaubt das sofort. Quer über die Fassade zieht sich ein großer Riss im Mauerwerk. Auch die Mühle steht unter Denkmalschutz. Trotzdem muss sie vielleicht abgerissen werden. »Die alte Mühle zu erhalten, den Wunsch hätte ich auch«, versichert Werner Gerber. Er nennt dazu gleich die Bedingung: »Wenn ein Investor kommt, der eine Nutzung hat.« Denn: »Wir brauchen keine Mühle. Wir haben ja auch nicht die Ländereien dazu.« Ähnlich ist die Situation der einstigen Stallungen. Der Wohl-Leben GmbH fehlen »die zwei Millionen Euro« für die Sanierung, bedauert der gebürtige Schweizer Gerber.

An Ideen mangelt es ihm und seiner aus Argentinien stammenden Frau nicht. Es fallen die Stichworte betreutes Wohnen und Ferienwohnungen. 20 bis 30 Menschen müssten auf dem Gelände leben und zur Finanzierung der Bauarbeiten beitragen, rechnet Werner Gerber vor. Die Alternativen dazu: Es finde sich doch noch ein zahlungskräftiger Investor oder das Land Brandenburg springe ein oder es muss abgerissen werden. »Das Letzte scheint mir im Moment leider das Wahrscheinlichste«, stellt Gerber ernüchtert fest. Also Abriss.

Von den Mietern, die schon da sind, werde nur eine Miete verlangt, die gerade einmal die Kosten decke. »Ich kann es mir leisten, keinen Gewinn zu machen«, versichert Gerber. Sonst müsste er Summen nehmen, wie sie im schicken Berliner Ortsteil Prenzlauer Berg verlangt werden – und das könne hier draußen niemand bezahlen. Unter den alteingesessenen Nachbarn gebe es welche, die über die Gerbers sagen: »Das sind die Verrückten, die das riesige Anwesen gekauft haben.« Erst hatten die Zugezogenen das Image einer Kommune. Immerhin kannte man Cynthia Berman-Gerber schon in der Gegend, weil sie seit 2014 als Psychologin in der Bad Freienwalder Klinik gearbeitet hat. Sie rief in Sonnenburg auch eine Frauenwandergruppe ins Leben – und das hat sich als niedrigschwelliges Angebot erwiesen, miteinander ins Gespräch zu kommen und Vorurteile abzubauen. Gerber selbst staunte nicht schlecht, als ihm bei einem Plausch gesagt wurde, es gebe leider zu viele Parteien in Deutschland, es wäre besser, wenn es nur eine wäre. Er hatte eine schlagfertige Antwort parat: »Dann wäre ich für die Grünen.«

Um die Wirtschaft zu fördern, würde Gerber am liebsten ausschließlich Aufträge an ortsansässige Handwerker vergeben. Doch die haben schon so viel zu tun, dass ihnen oft die Zeit fehlt. So parken vor dem Herrenhaus auch Autos mit polnischen Kennzeichen. Es soll künftig nicht jeder ungehindert auf das Gutsgelände vordringen können. Das würde stören. Aber die Nachbarn sollen doch durch den Park spazieren können, und das Anwesen soll auch Gäste begrüßen. »Ich träume von einem kleinen Weihnachtsmarkt und zwei großen Kulturveranstaltungen im Jahr«, sagt Cynthia Berman-Gerber. Außerdem möchte sie ein kleines Café betreiben, das donnerstags bis sonntags geöffnet hätte.

Einst gehörte das Gut dem Adelsgeschlecht Uchtenhagen, denen der Schriftsteller Theodor Fontane in seinen »Wanderungen durch die Mark Brandenburg« Beachtung schenkte. 1618 sei das Geschlecht mit dem Tod des Hans von Uchtenhagen erloschen, schrieb er. 1936 kaufte Joachim von Ribbentrop das Gut Sonnenburg. 1932 in die NSDAP eingetreten, stieg er 1938 zum Außenminister auf und unterzeichnete 1939 in Moskau den deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt mit der geheim gehaltenen Nebenabrede über die Teilung Polens – den sogenannten Hitler-Stalin-Pakt. Als einer der Hauptkriegsverbrecher wurde Ribbentrop im Oktober 1946 in Nürnberg zum Tode durch den Strang verurteilt und hingerichtet. Sein Besitz in Sonnenburg wurde bereits 1945 im Zuge der Bodenreform enteignet.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -