Erfolg für queere Beschäftigte

Das Arbeitsgericht Gießen verurteilt das Land Hessen wegen transfeindlicher Einstellungspraxis

  • Ulrike Wagener
  • Lesedauer: 2 Min.
Der Bundestag hisste 2022 erstmals die Regenbogenflagge. Besonders trans Personen sind in Deutschland viel Diskriminierung ausgesetzt.
Der Bundestag hisste 2022 erstmals die Regenbogenflagge. Besonders trans Personen sind in Deutschland viel Diskriminierung ausgesetzt.

Das Land Hessen hat Mar Diotima diskriminiert. Zu diesem Schluss kam das Arbeitsgericht Gießen am vergangenen Freitag und verurteilte das Land Hessen zu Schadensersatz und Entschädigung. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Nicht-Einstellung nach einem bis dahin
erfolgreichen Bewerbungsverfahren einzig und allein in der Identität von Diotima als trans begründet lag.

Der Name ist ein Pseudonym, weil es der klagenden Person wichtig ist, ihre Identität nicht öffentlich zu machen, um sich vor Transfeindlichkeit zu schützen. Diotima ist nicht-binär, das heißt, dass sich eine Person weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlt. Statt dem binären sie oder er nutzt Diotima ein Pronomen gebildet aus e und dem Anfangsbuchstaben des Vornamens, hier em. Diotima sollte 2021 an der Anna-Freud-Schule in Marburg als Nachhilfe-Lehrkraft anfangen. Doch nachdem der Schulleiter herausfand, dass sich Diotima nicht als cis-Frau identifiziere, habe er die bereits zugesagte Stelle wieder abgesagt.

»Ich hatte nicht vor, mich zu outen«, sagt Diotima im Gespräch mit »nd.DerTag«. Das ist nicht ungewöhnlich. Laut einer Umfrage des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung ist ein Drittel aller LGBTIQ*-Personen am Arbeitsplatz nicht geoutet, weil sie Diskriminierung befürchten müssen. Rund 45 Prozent von trans und abinären Menschen erfahren Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt. »Wie viel Empörung dieser Zustand hervorruft, zeigt auch die große Menge an
Unterstützer*innen, die zum Prozess in Gießen anreisten und Diotima im Gerichtssaal unterstützten«, sagt die Gruppe transriots, die Diotima bei der Klage unterstützten.

Sie kritisierten die Argumentation des Schulleiters besonders vor dem Hintergrund, dass es sich um eine Schule handelt, die an eine Kinder- und Jugendpsychiatrie angeschlossen ist. Auch trans Kinder und Jugendliche werden dort unterrichtet. »Der Schulleiter pathologisiert die Schülerinnen und zieht eine Parallele zu Diotima«, so die Unterstützer*innen. Mit so einer Einstellungspraxis würden queere Menschen diskriminiert und aktiv aus solchen Stellen herausgehalten.

Die klagende Person und ihre Unterstützer*innen freuen sich über das Urteil des Gerichts und die erfolgreiche Klage. »Wir wollen mit der Klage die transfeindliche Einstellungspraxis
öffentlich machen, die es noch immer in Hessen und Deutschland gibt und
die leider keine Seltenheit ist«, sagt Diotima. Abzuwarten bleibe noch, welche Konsequenzen das Land Hessen aus dem Urteil ziehen wird.

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