Eine gerechtere Gesellschaft ist möglich

Alternative Nobelpreise für Aktivisten aus Afrika, Ukraine und Venezuela

  • Martin Ling
  • Lesedauer: 4 Min.

Es hat eine gewisse Regelmäßigkeit: Fast immer hat mindestens einer der vier Preisträger des Alternativen Nobelpreises schon vorab gebührende Würdigung im »nd« erhalten. 2019 erhielt zusammen mit Greta Thunberg auch Davi Kopenawa, Schamane und Sprecher der im Amazonasgebiet lebenden Yanomami Indigenen in Brasilien, den alternativen Nobelpreis. Das »nd« hatte ihn schon zehn Jahre zuvor interviewt. Das gilt auch für den kongolesischen Arzt Denis Mukwege, der 2013 den Alternativen Nobelpreis und 2018 den Friedensnobelpreis für sein Engagement gegen sexuelle Gewalt an Frauen bekam. Über das von ihm geleitete Hospital Panzi, die einzige Anlaufstelle der Provinz für Vergewaltigungsopfer, berichtete das »nd« schon 2008.

2022 ist es das venezolanische Kollektiv Cecosesola (Central de Cooperativas de Lara), das für die Leser*innen des »nd« ein guter Bekannter ist. Zum 50. Geburtstag 2017 widmete »nd« der Kooperative eine lange Reportage. Darin hieß es: »Cecosesola, ein Kooperativennetzwerk, das etwa 20 000 Leute in verschiedenen Bundesstaaten umfasst, die in 40 Kooperativen organisiert sind, wird im Dezember dieses Jahres 50 Jahre alt. Es hat im Laufe der Zeit eine Vielzahl von Commons, von Gemeingütern, rund um die Grundbedürfnisse der Bevölkerung geschaffen: Drei große und mehrere kleinere Wochenmärkte in Barquisimeto, eine Gemeinschaftsklinik und dezentrale ärztliche Versorgung in einigen Stadtteilen, ein Bestattungsinstitut – alles zu fairen Preisen sowohl für Konsument*innen als auch Produzent*innen/Dienstleister*innen. Und was in der aktuellen Krise, die Venezuela durchlebt, besonders wichtig ist: eigene Produktion von Nahrungsmitteln und Grundbedarfsgütern verschiedenster Art, von Gemüse über Nudeln oder Müsli bis hin zu Putzmitteln.« Die Krise in Venezuela besteht auch 2022 fort, wenngleich es in diesem Jahr leichte Besserung bei der Versorgung und einen Rückgang der Inflation zu verzeichnen gab.

Cecosesola erhielt den Preis »für die Entwicklung einer gerechten und leistungsfähigen Gemeinschaftsökonomie als Alternative zum profit-orientierten Wirtschaftsmodell«. Das Netzwerk ist in den vergangenen 55 Jahren stetig gewachsen und sei »eine Inspiration für alle, die nach alternativen ökonomischen Ansätzen suchen«, hieß es in der Würdigung durch das Alternative Nobelpreiskomitee.

Dass im Jahr 2022 ein Preisträger aus der einem Angriffskrieg ausgesetzten Ukraine nicht fehlen dürfte, lag auf der Hand. Die treffliche Wahl fiel auf die ukrainische Menschenrechtsverteidigerin Oleksandra Matwijtschuk. Matwijtschuk erhalte die Auszeichnung »für den Aufbau nachhaltiger demokratischer Institutionen in der Ukraine und die Gestaltung eines Weges zur internationalen Strafverfolgung von Kriegsverbrechen«, wie die in Stockholm ansässige Right-Livelihood-Stiftung am Donnerstag bekanntgab.

Als Vorsitzende des 2007 gegründeten Zentrums für bürgerliche Freiheiten (CCL) trage Matwijtschuk zur Stärkung der ukrainischen Zivilgesellschaft und staatlicher demokratischer Strukturen bei und setze sich für die Förderung nationalen und internationalen Rechts ein, hieß es in der Begründung der Stiftung. Sie dokumentiere Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen und ebne damit den Weg zur gesellschaftlichen und rechtlichen Aufarbeitung, die seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Februar 2022 von besonders großer Bedeutung sei.

Für den mutigen Einsatz für Klimagerechtigkeit erhielt das Africa Institute for Energy Governance (Afiego) aus Uganda den Alternativen Nobelpreis. Die Organisation unterstützt Gemeinden dabei, sich gegen umweltschädliche Projekte bei der Öl- und Gasförderung zu wehren. Durch Lobbyarbeit, Medienkampagnen sowie lokale und internationale rechtliche Schritte habe Afiego dafür gesorgt, dass die Stimmen der Gemeinden bei Entscheidungsträgern Gehör finden, erklärte Right Livelihood.

Weitere Preisträgerinnen sind die somalischen Menschenrechtsaktivistinnen Fartuun Adan und Ilwad Elman – Mutter und Tochter –, die mit ihrer Organisation Elman Peace Überlebende geschlechtsspezifischer Gewalt unterstützen, ehemalige Kindersoldaten und -soldatinnen resozialisieren und Frauen und Jugendlichen berufliche Bildung und das Erlernen von Führungskompetenzen ermöglichen.

Die Preisträger des Jahres 2022 werden am Mittwoch, dem 30. November, im Rahmen einer live übertragenen Veranstaltung in Stockholm geehrt.

Der Alternative Nobelpreis würdigt den Einsatz für Menschenrechte, Pressefreiheit, bürgerliche Freiheiten und Umweltschutz. Er wurde 1980 vom schwedisch-deutschen Philanthropen Jakob von Uexküll ins Leben gerufen, Leiter der Stiftung ist mittlerweile sein Neffe Ole von Uexküll.

Die Preise sind mit jeweils einer Million schwedischen Kronen (rund 100 000 Euro) dotiert. Das Geld ist für die Unterstützung der Arbeit der Preisträger gedacht und nicht zur persönlichen Verwendung. mit Agenturen

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