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Zu wenig und viel zu spät

Bundestag beschließt 300-Euro-Energiepreispauschale für Rentner und Ausweitung von »Midijobs«

Armen Rentnern wird die vom Bundestag beschlossene Einmalzahlung nicht weiterhelfen.
Armen Rentnern wird die vom Bundestag beschlossene Einmalzahlung nicht weiterhelfen.

Bei der Zusammenstellung des Entlastungspakets 3 Anfang September besannen sich die Ampel-Parteien darauf, dass nicht nur Werktätige, sondern auch Studierende und die 20 Millionen Menschen im Ruhestand dringend eine Unterstützung brauchen, um die rasant steigenden Strompreise weiter zahlen zu können. Am Donnerstag war es zumindest für letztere soweit: Der Bundestag beschloss den Gesetzentwurf der Koalition von SPD, Grünen und FDP, auf dessen Grundlage Rentnerinnen und Rentner noch bis zum 15. Dezember eine Einmalzahlung in Höhe von 300 Euro erhalten sollen. Die Summe soll ihnen nun automatisch von den Rentenzahlstellen überwiesen werden.

Die Rednerinnen und Redner der Regierungsparteien sprachen von einem »guten Tag« und einer weiteren Leistung zur Entlastung von Millionen Bürgern, nicht ohne frühere Unterstützungsleistungen wie das Neun-Euro-Ticket zu erwähnen, von denen Rentner auch vorher schon profitiert hätten. Grünen-Politiker Wolfgang Strengmann-Kuhn betonte zudem, die Ruheständler seien in den ersten beiden Entlastungspaketen der Ampel keineswegs vergessen worden. Vielmehr sei eine intensive Prüfung nötig gewesen, wie denn eine Zahlung an sie aussehen könnte. Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesarbeitsministerium, Kerstin Griese (SPD), verteidigte die Pauschale als »großen Schritt«.

Das »Gesetz zur Zahlung einer Energiepreispauschale an Renten- und Versorgungsbeziehende und zur Erweiterung des Übergangsbereichs« umfasst nicht nur erstere, sondern auch eine Anhebung der Verdienst-Obergrenze für sogenannte Midijobs. Obwohl sowohl Die Linke als auch CDU und CSU auch letztere Maßnahme deutlich als frauen- und arbeitsmarktpolitisch kontraproduktiv und die Einmalzahlung als unzureichend kritisierten, stimmten alle drei Oppositionsparteien dem Gesetz zu. Die AfD enthielt sich.

Der CSU-Sozialexperte Max Straubinger hatte die Energiepauschale vor der Abstimmung im Grundsatz begrüßt, der Regierung aber mangelnde Zielgenauigkeit vorgeworfen. So gingen Opfer von Unfällen und Gewalttaten, die Anspruch auf Opferrenten hätten, leer aus. Mehrere Abgeordnete monierten, dass die Zahlung für Rentnerinnen und Rentner viel zu spät komme.

Für Die Linke erklärte Susanne Ferschl, es bleibe »das Geheimnis der Regierung, warum sie ein Vierteljahr brauchte, um zu begreifen, dass auch Rentnerinnen und Rentner heizen müssten«. »Fakt ist, die Energiepreispauschale reicht nicht, um über den Winter zu kommen«, sagte die Sozial- und Gewerkschaftspolitikerin. Zudem komme die eigentlich viel wichtigere Gaspreisbremse erst im Frühjahr, wenn sie nicht mehr gebraucht werde.

Anspruch auf die Einmalzahlung haben alle, die zum Stichtag 1. Dezember 2022 Anspruch auf eine Alters-, Erwerbsminderungs- oder Hinterbliebenenrente der gesetzlichen Rentenversicherung haben. Darüberhinaus erhalten sie auch Menschen, die Versorgungsbezüge nach dem Beamten- oder dem Soldatenversorgungsgesetz bekommen. Voraussetzung ist ein Wohnsitz in Deutschland. Die Pauschale soll der Steuerpflicht unterliegen. Die Zahlung ist Teil des Entlastungspakets, auf das sich die Ampel-Koalition Anfang September im Grundsatz verständigt hatte. Berufstätige hatten schon im September eine Energiepreispauschale von 300 Euro ausbezahlt bekommen, die Teil des vorherigen Entlastungspakets gewesen war.

Die Obergrenze, bis zu der ein Beschäftigungsverhältnis als »Midijob« gilt, womit die Sozialversicherungsbeiträge geringer ausfallen, wurde mit den Beschlüssen vom Donnerstag von 1600 auf 2000 Euro monatlich angehoben. Menschen, die davon profitieren, sollen damit um insgesamt 1,3 Milliarden Euro jährlich entlastet werden. Arbeitgeber haben damit einige Mehrausgaben zu tragen, was vor allem Vertreter der Unionsparteien als unzumutbare Belastung für den unter Druck stehenden Mittelstand kritisierten.

Die Linke-Abgeordnete Ferschl nannte die Regelung zu den Midijobs ein »Niedriglohn- und Teilzeitfördergesetz«. Zwar reduzierten sich dadurch für Menschen mit geringem Einkommen die Sozialabgaben. Das mache aber nur eine Entlastung von »im Schnitt 38 Euro monatlich« aus und sei damit angesichts der explodierenden Strom- und Heizkosten der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein. Dadurch aber, dass die Entlastungen bei den niedrigsten Einkommen am höchsten seien, biete das Gesetz Fehlanreize. Gerade kleine Teilzeitstellen würden damit »unnötig attraktiv«, gab Ferschl zu bedenken.

Das, so die Politikerin, laufe auch dem von der Ampel propagierten Ziel der Aktivierung von Frauen zur Bekämpfung des Fachkräftemangels entgegen. Um den zu verringern, »sollten Sie lieber mehr Betreuungsmöglichkeiten für Kinder schaffen«, sagte die Abgeordnete an die Adresse von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Die Midijob-Ausweitung sei »gleichstellungs- und arbeitsmarktpolitischer Blödsinn«, stellte sie fest. Ähnlich äußerten sich auch CDU-Abgeordnete.

Ferschl wies indes auch darauf hin, dass es durch die steuerliche Begünstigung kleiner Jobs auf der anderen Seite Zahlungsausfälle für die Sozialkassen gebe, wodurch es mittelfristig wieder zu Leistungskürzungen und Beitragserhöhungen komme. »Zur Finanzierung der Krisen sollten Sie endlich mal die starken Schultern heranziehen. Wann, wenn nicht jetzt ist die Zeit für eine Vermögensabgabe und für eine Übergewinnsteuer«, mahnte Ferschl die Bundesregierung.

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