Kunst, Kartoffelbrei und Tomatensuppe

Über die Methoden der »Letzten Generation« lässt sich streiten, dennoch haben die Proteste unsere Solidarität verdient

  • Julia Trippo
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Aktivist*innen der »Letzten Generation« waren in den vergangenen Wochen viel beschäftigt. Ihre Aktionen sind in aller Munde, allein in den letzten Tagen erzeugten Straßenblockaden in Berlin, eine Klimaaktivistin, die sich auf dem Dach eines Polizeiautos festklebte, und natürlich der Monet wahnsinnige Aufmerksamkeit.

Am meisten Publicity bekam der Kartoffelbreiwurf auf den Monet – und erzeugte gleichzeitig eine große öffentliche Ablehnung. Angelehnt an die Tomatensuppe, die in der Nationalgalerie in London Mitte Oktober ihren Weg auf die Sonnenblumen van Goghs fand, traf es am Sonntag im Potsdamer Museum Barberini den Getreideschober Monets. Und im ersten Moment wirkt es auch nicht sachdienlich – oder was man im anglophonen Raum mit »counterintuitive« umschreiben könnte –, Kulturgut mit Nahrungsmitteln zu beschmieren.

Aus dem Netz gefischt
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Der Sinn der Beschmutzung von Kunstwerken ist laut der »Letzten Generation«, die Ambivalenz der Angst vor Verlust darzustellen. »Wie kann es sein, dass so viele mehr Angst davor haben, dass eines der Abbilder der Wirklichkeit Schaden nimmt, als vor der Zerstörung unserer Welt selbst?«, fragt eine Aktivistin aus Potsdam.

In diesem Punkt bekommt sie Rückenwind von dem Wissenschaftler und Professor Stefan Rahmstorf. Er wäre der Aktion gegenüber erst sehr skeptisch gewesen, doch hätten die Reaktionen darauf den Sinn der Protestform bescheinigt: »Sie entlarvt die Verlogenheit von Menschen, die sich über eine verschmutzte Glasscheibe echauffieren, aber nichts gegen die Zerstörung unseres einzigen, wundervollen Heimatplaneten unternehmen«, schreibt der Klimaforscher auf Twitter.

Was in der durchaus berechtigten Debatte über die Sinnhaftigkeit gewisser Aktionen verloren geht, ist die Diskussion über die Motivation dahinter. Nun sind soziale Bewegungen historisch selten beliebt. Das liegt an der Sache selbst, denn sie kreiden Missstände in der Gesellschaft und im Mainstream an. Sonst würden sie als Protest ja auch nicht gebraucht.

Den Aktivist*innen der »Letzten Generation« ist bewusst, dass sie sich in der breiten Bevölkerung nicht beliebt machen. Unter einem Video, das die Besetzung einer Schilderbrücke auf der Autobahn dokumentiert, entschuldigt sich die Bewegung für die Störung. Diese würde beendet, wenn das Tempolimit 100 und ein permanentes 9-Euro-Ticket eingeführt werden. Denn es geht nicht um Beliebtheitswerte, es geht darum, die Öffentlichkeit für die Folgen des Klimawandels zu sensibilisieren.

Mit ihren Störaktionen mag das gesellschaftliche Ansehen der Protestbewegung vielleicht schwinden, doch tragen diese einiges zur Aufmerksamkeit für den Kampf gegen den Klimawandel bei. Diese Wirkung bestätigt auch die Wissenschaft: Laut einer Studie zum Umweltbewusstsein in Deutschland seien zwar viele Deutsche genervt von Klimaaktivist*innen, doch ihre Zustimmung zu konkreten Maßnahmen ist hoch.

Ähnlich in Großbritannien, wo eine Umfrage von YouGov ganz klar zeigt: Seit die Proteste von Extinction Rebellion begonnen haben, stufen immer mehr Menschen die Klimafrage als eine der drei größten Bedrohungen des Landes ein.

Deshalb hat die Klimabewegung unsere Solidarität verdient. Störungen zu verursachen, um ihren Forderungen Gehör zu verschaffen, das ist der Sinn sozialer Bewegungen – und das, was in der Klimakrise gebraucht wird. Denn letztendlich ist es ein Problem von uns allen.

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