Fußball und Schwimmen

Schwimmen im Meer oder ein Bad in der Masse im Stadion: In »Über Wasser« berichtet unsere Autorin von der Faszination für Fußball und Schwimmen

  • Anne Hahn
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach dem Schwimmen im Georg-Arnhold-Bad macht auch das Fußballschauen im Dresdner Rudolf-Harbig-Stadion Spaß.
Nach dem Schwimmen im Georg-Arnhold-Bad macht auch das Fußballschauen im Dresdner Rudolf-Harbig-Stadion Spaß.

Über uns spannen sich Stahlbögen zu einem Hallengewölbe, daran hängen schwarze Glockenlampen, an der Wand eine Bahnhofsuhr. Am Überlaufrand des Sprungbeckens lehnt mein alter Freund S. und schaut Halbwüchsigen beim Springen zu. Kerze, Köpper, Bauchklatscher. Ein Bademeister überwacht das Geschehen am Drei-Meter-Turm. Nebendran wird eine geleinte Bahn im Schmetterlingsstil durchpflügt, außen dümpeln zwei Frauen. Ich habe mein Pensum absolviert und schwimme zu S. hinüber. Wir kennen uns, seit wir siebzehn sind. Trotz beinahe vierzigjähriger Freundschaft ist es unser erster gemeinsamer Schwimmbadbesuch, vom Bahnhof ging’s direkt in die nahe Bade- und Saunawelt Ishara. Eigentlich sind wir wegen des Fußballs hier, wir folgen dem Klub unserer Heimatstadt ab und an persönlich durch die 2. Bundesliga.

Über Wasser

Anne Hahn ist Autorin von Romanen und Sachbüchern und schwimmt für »nd« durch die Gewässer der Welt. Alle Texte auf dasnd.de/ueberwasser

Ich schwimme wesentlich länger, als ich zum Fußball gehe. Mein Lebenskomplize ist dem Fußball von Kindesbeinen an verfallen. In den ersten Wochen unserer Beziehung war mir noch nicht klar, wie sehr – spätestens, als er mich mit unserem Baby und einem Hexenschuss zu Hause zurückließ, um ein Spiel der Alten Dame zu besuchen, wurde mir das Ausmaß klar. Ich verzieh ihm, Jahre später chauffierte ich unseren Sohn nach Zehlendorf oder Marzahn und stand am Platz von Berolina Mitte, wenn er oder sein Vater kickten. Lernte das Paradies in Jena kennen, fuhr mit nach Luckenwalde, Rathenow oder Fürstenwalde, wenn es einen See oder Fluss in der Nähe gab. In Rostock ging ich in die Neptunhalle, er ins Ostseestadion. In Rijeka lockte das Meer stärker als ein Spielbesuch.

Irgendwann kriegte mich das Laute, Wilde – erwischte mich das Fußballfieber. Wir reisten und ich wollte beides, Stadion plus Schwimmbad. Ende Oktober 2015 war der Scheitelpunkt erreicht. Im Außenbecken des Georg-Arnhold-Bades am Dresdner Rudolf-Harbig-Stadion wurde ich nervös. Ich wollte dabei sein, wenn die Mannschaft meines Klubs einlief und wechselte den Ort. Strahlte den blau-weißen Zwickel an, der aus einem schwarz-gelben Meer lautstark sang. Sprang auf, als wir ein Tor schossen und brüllte. Mein nasses Haar hing über den Rand der Tribüne und tropfte in die Choreo. Seitdem muss beides sein, meine Favoriten sind Stadien in Meer-Nähe, wie Split, Saloniki, Cádiz oder Gibraltar.

Bielefeld. Wir arbeiten eine Liste an Kneipen ab, die uns Arminia-Freunde zukommen ließen, vom Heimathafen (furchtbares Lokalgetränk »Jämmerling«, sehr nette Leute) über die Zwiebel (einzige Anfeindungen wegen unseres Reisegrundes) bis zum Plan-B (lecker Mexikaner, nette Studentin mit Arminia-Dauerkarte) und bekommen am Sonntagmorgen vor dem Spiel eine Führung durch Puddingtown, kratzen Identitären-Sticker ab und reihen uns in die Mittagsbiertrinker ein, bis der blau-weiß-schwarze Strom uns ins hübsche Stadion schwappt. Die Sonne scheint, die Fans des 1. FC Magdeburg sind herrlich laut, doch das Mitsingen vergeht uns. 

Beim dritten Gegentor und mit einem heftig geschwenkten Arminia-Schal im Gesicht frage ich mich, ob wir gestern das Glück versenkt haben, als mein Spindschlüssel nach einer dämlichen Kabbelei im Sprungbecken nach unten taumelte? Aber ein freundlicher Mann holte den Schlüssel vom 3,80 Meter tiefen Grund herauf und S. applaudierte – Bielefeld und wir waren doch ein Superteam. Oder? Mir wird schlecht, ich denke an die Sardine im Jämmerling und prompt fällt viel zu spät der Anschlusstreffer.

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