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Zweierlei, nein dreierlei Maß
Karlen Vesper lehnt die Instrumentalisierung von Geschichte ab
Wenn man bedenkt, wie lange es dauerte, bis der Bundestag eine Resolution verabschiedete, in der die Ermordung von über 1,5 Millionen Armeniern 1915/16 im Osmanischen Reich als Genozid verurteilt wurde, mag man überrascht sein, wie rasch dies jetzt im Fall des Holodomor in der Ukraine 1932/33 geschah. Wirtschaftliche Bande und Waffenbrüderschaft zwischen der Bundesrepublik und der Türkei sowie Proteste der türkischen Community schreckten die Abgeordneten, bis der Druck der Zivilgesellschaft und die wissenschaftliche Beweiskraft zu groß waren – und es außerdem anderweitige Verstimmung zwischen Ankara und Berlin gab. Der Holodomor-Beschluss ist ein klares politisches Signal an Kiew, Proteste aus Russland fürchtet man nicht, auf definitive Klärung der Ursachen durch Historiker will man nicht warten.
Zweierlei Maß? Sogar dreierlei. Die Nachfahren der von deutscher Kolonialmacht 1904 bis 1908 massakrierten und elendem Hungertod in der Omaheke-Wüste ausgelieferten 70 000 Herero und Nama, von der Wissenschaft als erster Genozid des 20. Jahrhunderts definiert, warten noch auf demgemäße Anerkennung durch das deutsche Parlament.
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