Hetzende Beamte sollen schneller entfernt werden

Nach den Razzien bei Reichsbürgern wird auch in NRW verstärkt über den Umgang mit Radikalen im Staatsdienst diskutiert

  • David Bieber
  • Lesedauer: 4 Min.

Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) setzt sich dafür ein, das Beamtengesetz zu verschärfen. Das hat er kürzlich beim ARD-Politiktalk bei »Anne Will« bekräftigt. Nach Bekanntwerden der Umsturzpläne der Reichsbürgerszene hat das Thema an Aktualität gewonnen. Unter den Verhafteten waren neben einer ehemaligen Bundestagsabgeordneten der AfD unter anderem frühere und aktive Offiziere und Polizeibeamte.

Nach den Plänen von Reul sollen Karrieren im öffentlichen Dienst schneller beenden werden, wenn sich Beamte als Extremisten entpuppten, die gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung sind. »Bei Straftaten, die das Ganzvertrauen in den Staat in hohem Maße erschüttern, müssen Beamte ohne weitere Verzögerung aus dem Dienst entfernt werden können«, sagte Reul. Bei Volksverhetzung oder Verfassungsfeindlichkeit sei das eindeutig der Fall.

Seit vor mehr als zwei Jahren in NRW rechtsradikale Polizei-Chats mit Hitler-Fotos, SS-Runen und Hakenkreuzen aufgeflogen sind, wird ermittelt. Viele Beschuldigte sind noch im Dienst. Erst sieben Strafbefehle wurden erteilt. Reul würde diese Beamten am liebsten so schnell wie möglich aus dem öffentlichen Dienst entfernen.

Auch die Innenministerkonferenz in München hatte dazu beraten. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) setzt sich dafür ein, eine Änderung des Beamtenstatusgesetzes zu erwirken, um langjährige Disziplinarverfahren zu vermeiden. »Wir müssen hier schneller werden und sicherstellen, dass der Staat handlungsfähig bleibt«, sagte Faeser bei »Anne Will«. Demnach könnte künftig der Behördenleiter durch einen »Verwaltungsakt« und kein Verwaltungsgericht mehr über einen Rauswurf aus dem Staatsdienst entscheiden, wenn eine Verurteilung wegen Volksverhetzung oder ähnlicher Straftaten vorliege. Der Beamte könnte erst im Nachgang gegen die Entlassung klagen. Kritiker sprechen auch von einer faktischen Beweislastumkehr, die man sonst nur aus Mafiaprozessen kennt, um Geldströme nachzuvollziehen und nachzuweisen. Faeser widerspricht. »Es wird keine Beweislastumkehr geben. Das steht auch nicht im Referentenentwurf.«

Das sieht der NRW-Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Michael Mertens, anders. »Wir haben es mit einer Beweislastumkehr zu tun. Das darf nicht sein«, stellte er im Gespräch mit »nd« klar. Eine »Degradierung« müsse immer von einer Kammer bestätigt werden. Das gebiete schon die Gewaltenteilung. »Daran sollte sich auch Herr Reul halten.« Der ehemalige Bevollmächtigte der GdP sagte: »Es braucht kein neues Gesetz. Wir haben ein Landesdisziplinargesetz, das sich auch bewährt hat.« Er mahnte zur Einzelfallprüfung, insbesondere bei schweren Vorwürfen. Generell, so Mertens, müssten Beamte, die gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik verstießen, aus dem Staatsdienst entfernt werden.

Ähnlich sieht es die NRW-Landeschefin der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW), Ayla Çelik: »Wir haben schon heute die Möglichkeiten, Extremisten aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen. Die rechtsstaatlichen Mittel müssen Anwendung finden, um das Problem anzugehen. Eine Einzelfallprüfung ist dabei aber eine zwingende Voraussetzung. Wer sich nicht zur Verfassung und unserer Demokratie bekennt oder gar extremistisch ist, hat im öffentlichen Dienst nichts verloren.«

Im Falle einer Verurteilung wegen Volksverhetzung soll künftig automatisch der Rauswurf aus dem Staatsdienst erfolgen. Das können auch Mertens und Çelik nachvollziehen. Bislang ist das nur bei schwersten Verletzungen der Dienstpflicht möglich, wie etwa bei Hochverrat oder der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaats. Bei extremistischen Äußerungen etwa von Polizisten gibt es dagegen oft eine jahrelange Parallelität von straf- und dienstrechtlichen Ermittlungen, die nicht selten ohne größere Konsequenzen enden.

Mertens unterstützt Reuls Ansinnen, die Höhe des Strafmaßes abzusenken, die eine automatische Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nach sich zieht, wenn die Verurteilung wegen einer rechtsextremen Betätigung wie Volksverhetzung erfolgt ist. Im Sommer hatten Bund und Länder eine Haftstrafe von sechs Monaten als Schwelle diskutiert. »Da gehe ich mit«, sagte Mertens.

Zudem wünscht sich Reul eine Lockerung der Verjährungsfristen, besonders bei Volksverhetzungen durch Beamte. Nach den Disziplinargesetzen des Bundes und der Länder ist die Verhängung von disziplinarrechtlichen Maßnahmen oft nicht mehr möglich, wenn seit dem Dienstvergehen zu viel Zeit verstrichen ist. »Den betroffenen Beamten soll klar sein, dass ihr Verhalten auch später noch sanktioniert werden kann«, ließ das NRW-Innenministerium verlauten. Man wolle künftig auch Fällen effektiver begegnen können, »in denen eine schleichende, jahrelange unbemerkte Radikalisierung eines Mitarbeiters oder einer Mitarbeiterin zu Grunde lag«.

Da es sich bei dem Beamtenstatusgesetz um ein Bundesgesetz handelt, sollen nun in Berlin weitere Schritte geprüft werden.

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