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- Frauen-Boxen in Kuba
Knock-out für die Vorurteile
Jahrzehntelang wurde Frauen in Kuba das Boxen verboten. Das ändert sich nun – in überraschendem Tempo
Mit kraftvollen Schlägen deckt Elianni de la Caridad García Polledo ihre Gegnerin Reynabell Grant Ribeaux ein. Immer wieder landet sie Wirkungstreffer im Gesicht, auf den Körper. Rund um den Ring in der Trainingshalle der Schule für Hochleistungssportler »Giraldo Córdova Cardín« im Osten Havannas kochen die Emotionen über. Die rund fünfzig Zuschauer – Trainer, Athletinnen, Freunde und Bekannte – veranstalten einen Höllenlärm. Lautstark wird der Kampf begleitet, jeder gelungene Schlag bejubelt, die Trainer dringen mit ihren Anweisungen kaum durch. Trotz der Anspannung blickt man in viele freudige Gesichter.
Mit einer kräftigen Geraden an den Kopf ihrer Gegnerin entscheidet García Polledo das ungleiche Duell über drei Runden à zwei Minuten. Die 27-Jährige aus Havanna reißt die Arme nach oben und lässt sich feiern; Tränen der Enttäuschung bei der Verliererin aus Guantánamo.
»Es ist ein historisches Ergebnis für den kubanischen Boxsport«, verkündet einer der Kampfrichter über den Lautsprecher, als er García Polledo zur Siegerin erklärt. Das Duell in der Gewichtsklasse bis 50 Kilogramm war der erste offizielle Frauenboxkampf in Kuba seit mehr als sechs Jahrzehnten – ein Tag, auf den die Frauen der Insel lange gewartet haben.
García Polledo zeigt sich nach dem Kampf gegenüber »nd« gelöst. »Ich war etwas nervös, denn es war das erste Mal vor all den vielen Leuten, es ist nicht dasselbe wie im Sparring. Aber ich bin zufrieden, ich habe es ganz gut gemacht, und wie man sehen konnte, habe ich das Resultat errungen, das ich wollte, und gewonnen.«
Ihr Kampf war Teil eines landesweiten Ausscheidungswettkampfes. Insgesamt 24 Boxerinnen aus ganz Kuba nahmen daran teil. Schließlich wurden zwölf Boxerinnen in den sechs olympischen Gewichtsklassen – zwei pro Kategorie – ausgewählt, die Kuba bei den Zentralamerikanischen Spielen in San Salvador Mitte kommenden Jahres vertreten sollen – ein erster Schritt in Richtung Olympia. Was wie ein banaler Wettkampf klingt, war ein geschichtsträchtiger Tag. Frauenboxen ist zwar längst eine olympische Disziplin, aber die Boxnation Kuba sperrte sich lange dagegen, Frauen das Boxen zu gestatten. Erst Anfang dieses Monats hob Kuba den jahrzehntelangen Bann des Frauenboxens auf der Insel auf.
»Heute geben wir die Zulassung des Frauenboxens in unserem Land bekannt«, erklärte Ariel Saínz, Vizepräsident des kubanischen Sportbunds Inder, am 5. Dezember gegenüber der Presse in Havanna. »Es geht darum, kubanischen Frauen den Raum zu geben, den sie verdienen«, sagte er und sprach von einem »wichtigen Schritt in der Entwicklung« des kubanischen Boxens. »Das Leben verändert sich, es ist dialektisch und wir müssen Hand in Hand mit diesen Veränderungen gehen«, so Saínz.
»Es gab eine gründliche Studie, wir haben uns nicht unter Zeitdruck setzen lassen«, erklärte Alberto Puig de la Barca, Präsident des kubanischen Boxverbandes, den Schritt und verwies auf einen veränderten Rechtsrahmen mit der neuen kubanischen Verfassung von 2019 und dem im September verabschiedeten neuen Familiengesetzbuch. Puig skizzierte den Fahrplan für die Entwicklung des Frauenboxens in Kuba: Nach den Spielen in San Salvador soll im November die erste nationale Meisterschaft stattfinden. Bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris will Kuba dann bereits mit einer kompletten Frauen-Boxstaffel vertreten sein.
Das Tempo überrascht, andererseits gilt es, verlorene Zeit aufzuholen. Denn seit dem Triumph der Revolution war das Frauenboxen auf höchster Ebene verboten und wurde von Managern und Trainern abgelehnt, die Frauen als ungeeignet für einen so harten Sport ansahen. Am bemerkenswertesten war vielleicht der Spruch des ehemaligen Cheftrainers der kubanischen Männermannschaft, Pedro Roque, der 2009 einer Gruppe von Journalisten sagte, dass »kubanische Frauen dazu da sind, ihre schönen Gesichter zu zeigen, nicht um Schläge einzustecken«.
»Ich denke, die Mythen sind gebrochen«, erklärte dagegen Emilia Rebeca Hernández Mesonet, verantwortlich für das Frauenförderungsprogramm im Inder, bei der Pressekonferenz, auf der die Zulassung verkündet wurde. Frauen würden durch das Boxen nicht in ihrer Weiblichkeit oder ihrer Ästhetik beeinträchtigt; es gebe sogar einige, die Models sind. Der Boxsport hilft ihnen, sich selbst zu stärken», so Hernández. «Es gibt keine Vorurteile, sondern nur Vorteile, und unsere Idee ist es, weiter voranzukommen, damit es in Zukunft mehr weibliche Trainer und mehr weibliche Kampfrichter gibt.»
Frauen sind in Kuba in allen Sportarten vertreten, seit 2006 auch im Gewichtheben und Ringen. Allerdings ist es lange nicht gelungen, die letzte Bastion des «Sport-Machismo» zu überwinden: die Zulassung von Frauen zum Boxen.
Aber selbst unter diesen Bedingungen versuchten sich einige Frauen im Boxsport. Elianni García Polledo, die aus der Leichtathletik kommt, boxt seit acht Monaten. «Kampfsportarten haben mir immer gefallen. Ich habe einen Tag Frauenboxen im Fernsehen gesehen und ich dachte mir: Warum es nicht auch probieren?» Seit April trainiert sie als einzige Frau in einem Gym mit Männern. «Es macht mir großen Spaß, ich liebe Boxen!»
Als die offizielle Zulassung des Frauenboxens verkündet wurde, sei sie zu Hause bei ihrer Tochter gewesen. Ihr Trainer habe angerufen und die Neuigkeit mitgeteilt. «Ich bin wirklich sehr zufrieden, dass uns Frauen, die wir seit einer Weile trainieren, diese Möglichkeit gegeben wird. Jetzt geht es darum, sich anzustrengen, um zu den Zentralamerikanischen Spielen, zur WM und zu Olympia zu kommen. Ich habe viele Ambitionen.»
Ambitionen hat der Boxtrainer Nardo Mestre Flores keine mehr. Er ist jetzt 70 Jahre alt und im Ruhestand. Trotzdem ist der erste offizielle Frauenboxwettkampf auf der Insel ein sehr emotionaler Moment für ihn. «Hiervon habe ich viele Jahre geträumt. Ich war es, der praktisch das Frauenboxen in Kuba begonnen hat.» Mehr als zwanzig Jahre ist das her. An den genauen Zeitpunkt kann er sich im Gespräch nicht mehr erinnern. «Wenn ich meine Sichtungen an Schulen veranstaltet habe, wollten immer viel mehr Mädchen als Jungs boxen», sagt der trotz seines Alters erstaunlich drahtige Mann mit einem verschmitzten Lächeln. Einige seiner Schützlinge hätten geboxt, um abzunehmen oder in Form zu bleiben; andere, weil sie wettkampfmäßig boxen wollten. Aber das war in Kuba für Frauen nicht möglich, weshalb einige ins Ausland gegangen seien, so Mestre, wo sie heute als Profiboxerinnen unterwegs sind.
«Als die Zulassung verkündet wurde, war das sehr ergreifend», erzählt Mestre. «Viele Frauen haben mich angerufen, um wieder anzufangen zu trainieren.» Mit Blick in die Zukunft glaubt er an den Erfolg der kubanischen Faustkämpferinnen. «Wie in anderen Sportarten können sie es schaffen und all die Erfolge erreichen, die das (kubanische) Männerboxen errungen hat. Diese Frauen sind mutig.»
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