Zum Frieden nicht mehr als ein paar Worte

Kämpferischer Selenskyj warb für noch mehr US-Militärhilfe – und die Ukraine bekommt sie

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.
Wolodymyr Selenskyj und Joe Biden am 21. Dezember im Weißen Haus in Washington D.C.
Wolodymyr Selenskyj und Joe Biden am 21. Dezember im Weißen Haus in Washington D.C.

»Trotz aller Widrigkeiten und Untergangsszenarien ist die Ukraine nicht gefallen.« Sie sei »gesund und munter.« Wie immer man diese Sicht auf das völlig zerstörte Land auch werten mag – die Abgeordneten beider Kammern des US-Parlaments quittierten am Mittwochabend (Ortszeit) die Rede des ukrainischen Präsidenten stehend mit Jubel und Beifall.

Wolodymyr Selenskyj, der zuvor ein Zwei-Stunden-Gespräch mit dem US-Präsidenten Joe Biden hatte, traf offenkundig den richtigen Ton, als er die historische Bedeutung des Verteidigungskampfes, den sein Volk führe, unterstrich. »Unsere beiden Nationen«, so betonte der 44-Jährige, der wie gewohnt in Olivgrün auftrat, »sind Verbündete in diesem Kampf.« In dem gehe es nicht nur um das Schicksal der Ukrainer, es gehe darum, »in welcher Welt unsere Kinder und Enkelkinder leben werden und dann deren Kinder und Enkelkinder«.

Selenskyj warnte: Ein russischer Angriff gegen die Verbündeten der USA sei nur eine Frage der Zeit und die Welt zu sehr vernetzt, als dass sich irgendjemand sicher fühlen könne, wenn Moskaus Angriff weitergehe. »Ukrainischer Mut und amerikanische Entschlossenheit« müssten die Zukunft der Freiheit garantieren. »Ihr Geld ist keine Wohltätigkeit, es ist eine Investition in die globale Sicherheit und Demokratie, mit der wir auf höchst verantwortungsvolle Weise umgehen«, versicherte er den Abgeordneten und dem Volk der USA und forderte noch mehr schwere Waffen.

Seit Amtsantritt der Regierung Biden vor knapp einem Jahr haben die USA im Rahmen der sogenannten Sicherheitshilfe mehr als 21,9 Milliarden Dollar für die Ukraine bereitgestellt. Man werde das Land so lange unterstützen wie nötig, versicherte der US-Präsident seinem Gast.

Aktuell haben die USA zwei neue Hilfspakete geschnürt. Das des Präsidenten enthält Waffen und Material aus den Beständen des Verteidigungsministeriums. Es ist das 28. seiner Art und wird auf etwa eine Milliarde US-Dollar geschätzt. Hinzu kommen weitere 850 Millionen Dollar, mit denen Ausrüstungen bei der Industrie bestellt werden.

Zum ersten Mal liefert die US-Armee eine »Patriot«-Batterie samt Raketennachschub. Sie ist in der Lage, Marschflugkörper, ballistische Raketen und Flugzeuge abzufangen, und sei, so sagte ein Pentagon-Experte, »ein weiteres Signal unseres langfristigen Engagements«. Obgleich das System weltweit zu den besten gehöre, sei es keine »Wunderwaffe« und – ob der immensen Kosten einer Rakete – zur Abwehr der aktuellen russischen Drohnenattacken auf die Infrastruktur der Ukraine nicht geeignet. Ziel sei es vielmehr, der Ukraine beim Aufbau eines »mehrschichtigen integrierten Ansatzes zur Luftverteidigung« zu helfen, heißt es im Pentagon. Dazu dienten auch die bereits gelieferten Nasmas- und Avenger-Systeme.

Wann die Patriots einsatzbereit sind, ist unklar. Allein die Ausbildung der Mannschaften würde »mehrere Monate dauern«. Keine Auskunft gab es zu der Frage, ob die Ukraine zugesichert hat, die »Patriots« nicht über dem Gebiet Russlands einzusetzen. Auf Nachfrage betonte der Sprecher – vermutlich vor allem in Richtung Moskau –, dass die ukrainische Batterie nicht in das vernetzte »Patriot«-System der Nato integriert werde.

Direkteren Nutzen für die ukrainische Armee bringen Rüstungslieferungen, über die öffentlich kaum gesprochen wird. Es handelt sich unter anderem um weitere 500 präzisionsgelenkte 155-Millimeter-Artilleriegeschosse, Nachschub für Mörsersysteme sowie Präzisionsgeschosse und -bomben für Kiews Luftwaffe. Hinzu kommen Hunderte zum Gutteil gepanzerte Fahrzeuge. Ausbauen will man außerdem das von der Ukraine genutzte US-Satellitenkommunikationssystem.

Besonderes Augenmerk verdienen versprochene Lieferungen für Artilleriesysteme, die kein Nato-Kaliber haben. So werden die USA 45 000 Schuss vom 152-mm- und 20 000 Schuss vom 122-mm-Kaliber liefern. Das ist Nachschub für die ukrainischen Geschütze, die noch aus Sowjetzeiten stammen. Hinzu kommen 50 000 Raketen für exsowjetische »Grad«-Mehrfachraketenwerfer sowie 100 000 Schuss 125-mm-Panzermunition. Diese Munitionsarten, so heißt es im Pentagon, kaufe man »von überall, wo wir ein gutes Angebot finden können«.

Wurde in Washington intern auch über die Chance für Frieden gesprochen? Offenbar. Sonst hätte Selenskyj wohl kaum einen globalen Friedensgipfel vorgeschlagen, bei dem es um die Wiederherstellung der territorialen Unversehrtheit der Ukraine und die internationale Ordnung gehen müsse. Bis es diesen gebe, diene jeder Dollar US-Hilfe auch der globalen Sicherheit.

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