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Ella gedenken heißt Antifa
Jeja nervt: Erinnert euch an Ella!
Kurz vor Weihnachten wurde das Grab der aus dem Iran geflohenen Ella Nik Bayan in Berlin zum vierten Mal geschändet. Bayan, die vor allem einfach als »Ella« bekannt geworden ist, hatte sich im September 2021 auf dem Alexanderplatz selbst angezündet. Ihrem grausamen Tod war ein Martyrium vorausgegangen: die Flucht, die sie über verschiedene Aufenthalte nach Deutschland führte. Das menschenverachtende Asylverfahren, das Jahre dauerte und in dem sie sich gegen einen zunächst negativen Bescheid wehren musste. Der Rassismus und die Transfeindlichkeit, denen Ella auf der Straße und in den für sie zuständigen Institutionen ausgesetzt war und die sie mürbe machten.
Das Schicksal der transgeschlechtlichen Frau, aber auch ihr faszinierendes, ergreifendes Wesen, für die Ewigkeit konserviert im Filmbeitrag eines Magdeburger Lokalsenders, haben die unterschiedlichsten Menschen bewegt. Bundesweite Medien widmeten sich Ella teils noch Monate nach ihrem Tod – ein Umstand, der wohl auch die Aufmerksamkeit eines gnadenlosen Hasses auf die Frau lenkte, der selbst das Anrecht der Toten auf Ruhe ignoriert.
Ella lebte in Magdeburg weitgehend ausgeschlossen von einem Gesundheitssystem, das Staatsbürger*innen und anderen Aufenthaltstiteln vorbehalten ist, um deutschen Reichtum vor den Armen der Welt zu schützen. Ohne Zugang zum Gesundheitssystem aber konnte sie keine Psychotherapie beginnen, die noch immer Voraussetzung für Hormongabe und Änderung von Namen und Geschlechtseintrag ist. Die daraus resultierenden Folgekosten sowohl für die Betroffenen als auch für die Gesellschaft mögen gegenüber den Kosten für diese Dienste völlig unverhältnismäßig sein: Der Zweck der Ausgrenzung vom Reichtum und der Kontrolle der Ordnung von Geschlecht und Herkunft heiligt das Mittel.
Teil der Reichtumswahrung gegenüber PoC und Flüchtlingen sind all die Mechanismen, die diese Menschen auf das Schicksal eines lebenden Negativ-Mahnmals festnageln. All jenen, die ihre Ware Arbeitskraft nicht ausreichend unterbrechungsfrei durchrationalisieren und erfolgreich am Markt feilbieten können, droht der Abstieg oder gar ein Leben in Armut. Sie werden aber auch als Stabilisator der herrschenden Sexualmoral gebraucht, lassen sie sich doch prima als sexuelle Bedrohung für weiße Frauen inszenieren. Das sichert die Rolle des Mannes als Beschützers, bei dem die Frau Zuflucht sucht, dessen Kinder sie gebiert und dessen Wohnung sie putzt. Zu guter Letzt dient das Elend der Rassifizierten dazu, Migrant*innen von der Idee abzubringen, sie könnten in Deutschland Frieden und ein ganz normales Leben finden. So betrachtet ist jeder Drogendealer im Görlitzer Park mit einer Aufgabe von nationaler Bedeutung betraut.
Der parlamentarische Rechtsradikalismus der AfD wie auch die außerparlamentarischen faschistischen Bewegungen mobilisieren den Ekel vor den unten festgenagelten Menschen, um ein System aufrechtzuerhalten, von dem sie profitieren. Kein Wunder, dass sich die Partei zuletzt so auf die Mythenbildung rund um bedrohte Frauentoiletten und -häuser sowie fröhlich hin- und hergewechselte Geschlechter eingeschossen hat. Die US-Republikaner machen vor, wie sich mit einem Kulturthema Wahlen gewinnen lassen, das die absolute Mehrheit der Menschen in ihrem Leben fast gar nicht tangiert.
Die Beschäftigung mit Ellas Leben und Sterben lehrt also viel über die bisweilen tödlichen, ineinandergreifenden Mechanismen, die das Leben von Marginalisierten überschattet. Die kämpferische Erinnerung an sie wäre eigentlich ureigenste antifaschistische Aufgabe, verschränken sich doch in der Verunmöglichung von Ellas Leben die sexualpolitischen, rassistischen und nationalökonomischen Aspekte jenes Denkens und Empfindens, das den Konservatismus nährt und dem Faschismus zuneigt. Dafür aber müssten die antirassistische, die antifaschistische, die Bewegung für Trans-Rechte und die von Exil-Iraner*innen in der Causa Ella zusammenfinden. Etwa in Form einer Gedenkdemonstration an ihrem zweiten Todestag.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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