Einfach mal schweigen

Jana Frielinghaus über die Elogen auf den verstorbenen Ex-Papst

Es ist ein alter Brauch, über einen Toten nichts Schlechtes zu sagen. Ob man dem heute noch in jedem Fall frönen muss, sei dahingestellt. Es gibt aber auch keine Verpflichtung, Hymnen auf Verstorbene anzustimmen, und seien sie noch so prominent. Und noch weniger gibt es die Notwendigkeit, dass diese, wie im Fall des verstorbenen emeritierten Papstes geschehen, die Grenze zur Unwahrheit überschreiten. Denn damit werden letztlich die vielen Menschen verhöhnt, die unter dem Pontifikat dieses weltfremden, starrsinnigen und bemerkenswert unbarmherzigen Papstes gelitten haben.

Was hätte den Bundespräsidenten, aber auch den Chef der Deutschen Bischofskonferenz, daran gehindert, einfach mal nichts zu sagen? Oder ein paar trocken-sachliche, ja auch kritische Sätze? Es hätte in ihrer Macht gestanden, und es wäre ein Zeichen zum Beispiel an die vielen Opfer sexualisierter Gewalt oder auch einfach »nur« von Prügeln und Einsperren durch Geistliche gewesen. Und eines an die sich für Reformen engagierenden Aktiven an der Basis der katholischen Kirche.

Wenn Steinmeier sagt, Benedikt alias Joseph Ratzinger habe für die Einheit der Christenheit, das Miteinander von Religion und Gesellschaft und den Dialog der Religionen gestanden, dann stimmt nur letzteres teilweise. Die Einheit der Christenheit bestand für ihn darin festzustellen, dass es keine christliche Kirche neben der katholischen gibt. Und mit der Gesellschaft hatte er gleich gar nichts am Hut. Er wollte seine Kirche bekanntlich »entweltlichen«, gern auch ohne all die aufmüpfigen Schäfchen in den Gemeinden, die sich erdreisteten, gleiche Rechte für Frauen und Homosexuelle und gar ein Ende der verlogenen Institution des Zölibats zu fordern.

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