Kampf um jeden Meter beginnt

Brennende Barrikaden gegen Räumungsvorbeitung von Polizei und RWE

Die Ankündigungen der Polizei Aachen, die für die Einsätze im Rheinischen Braunkohlerevier verantwortlich ist, klangen beruhigend: Ab dem zweiten Januar gebe es eine erhöhte Polizeipräsenz rund um Lützerath und das besetzte Dörfchen dürfe nicht mehr mit Autos angefahren werden. Es bestehe kein Grund zur Panik, bei der Maßnahme handele es sich nur um eine leichte Schikane. Ernst werden sollte es erst ab dem 10. Januar, hieß es von der Aachener Polizei. Dann könne die Räumung in Lützerath beginnen.

Doch am Montagmorgen stellte sich die Situation für die Besetzer*innen von Lützerath als durchaus bedrohlich dar. Mehrere Hundertschaften der Polizei hatten um den Ort am Braunkohletagebau Garzweiler II Position bezogen. Am Morgen versuchten Einsatzkräfte dann, sich dem Dorf zu nähern. Aktivist*innen reagierten damit, Stoffballen in Brand zu stecken, auch Steine, Flaschen und Farbbeutel sollen geworfen worden sein. Im weiteren Umfeld von Lützerath begannen von RWE beauftragte Firmen damit, eine Straße rund um das Dorf zu planieren. Nach Angaben der Polizei dienten diese Arbeiten der logistischen Vorbereitung für die Räumung, in der Nähe des Ortes soll schweres Gerät positioniert werden. Rund um Lützerath werde außerdem ein Zaun aufgebaut, um zu verhindern, dass weitere Aktivist*innen in das Dorf gelangen.

Indigo Drau von der Initiative »Lützerath lebt« sagte »nd«, man sei »von der Aktion von RWE und Polizei überrascht« worden. Eigentlich sei am Montag ein Aktionstraining geplant gewesen. »Es ist eine Katastrophe, wie hier mit roher Gewalt die Räumung von Lützerath herbeigeführt wird«, erklärte Drau zum Polizeieinsatz vom Montag.

In Lützerath selbst kämpften Aktivist*innen und Polizei stundenlang um jeden Meter. Die Polizei brauchte lange, bis sie ein Holztor, das den Eingang markiert, überwinden konnte. Davor hatten sich Menschen auf den Boden geklebt. Auch Monopods und Tripods, Konstruktionen, die aus einem oder mehreren Baustämmen bestehen, auf denen sich Aktivist*innen befinden, erschwerten die Arbeit der Polizeikräfte. Protestierende zogen sich Verletzungen zu, über deren Gründe die Angaben auseinandergehen. Am frühen Nachmittag standen sich jedenfalls behelmte Polizist*innen und Aktivist*innen unmittelbar vor dem besetzten Teil Lützeraths gegenüber. Die Situation um das Dorf wird von Beobachter*innen als angespannt und wütend beschrieben.

Christopher Laumanns vom Bündnis »Alle Dörfer bleiben« findet, der Polizeieinsatz komme nicht überraschend. Es habe vorab genug Anzeichen gegeben, dass Polizei und RWE so früh und massiv anrücken. Unmöglich findet Laumanns den Einsatz trotzdem. Er ist seiner Meinung nach »nicht rechtssicher«. »Alle Dörfer bleiben« hatte in der vergangenen Woche eine Mitteilung veröffentlicht, in der darauf aufmerksam gemacht wird, dass sich der Kreis Heinsberg in der Allgemeinverfügung zur Räumung Lützeraths auf einen Paragrafen des Kohleausstiegsgesetzes bezieht, der nach der Meinung von Verfassungsrechtlern verfassungswidrig ist.

Auch der heutige NRW-Umweltminister Oliver Krischer hatte 2021 noch als grüner Oppositionspolitiker den Paragrafen als »Quatsch« bezeichnet. Er diene nur dazu, dass »RWE die letzten Dörfer rund um den Tagebau besser abreißen kann, um dort die Braunkohle zu fördern«. Die im Gesetz festgeschriebene energiewirtschaftliche Notwendigkeit des Tagebaus Garzweiler II bezeichnete Krischer damals noch als »Unwahrheit«. Heute steht er hinter der Räumung von Lützerath. Für Laumanns droht dort eine Wiederhoholung der Räumung des Hambacher Forstes im doppelten Sinne: Der Einsatz sei nicht legal und »klimapolitisch völlig unmöglich«.

Einer, der immer darauf verwiesen hatte, dass die Polizei nur bei völliger Rechtssicherheit räumen werde, ist Aachens Polizeipräsident Dirk Weinspach. Parallel zum Beginn des Einsatzes am Montag veröffentlichte er seine Antwort auf einen offenen Brief von Klimaaktivist*innen. Diese hatten auf weiterhin bestehende rechtliche Unklarheiten bei der Räumungen und die mit dem Einsatz einhergehenden Gefahren hingewiesen. Weinspach, der Mitglied der Grünen ist, erklärte, dass ihm Klimaschutz auch sehr wichtig sei und er persönlich eine Räumung Lützeraths gerne vermieden hätte. Letztlich habe er aber nicht über das »Ob« einer Räumung zu entscheiden, sondern nur über das »Wie«. Dabei werde die Polizei Aachen auf Transparenz, Deeskalation und Kommunikation setzen.

Der Eindruck setzte sich am Montag nicht durch. So berichteten Journalist*innen von Schwierigkeiten bei der Anreise nach Lützerath, die von der Polizei behindert werde. Auch von Attacken der Einsatzkräften auf eintreffende Aktivist*innen war die Rede.

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