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Rechtes Zündeln nach der Silvesternacht
Trotz dünner Belege redet die Opposition im Innenausschuss weiter ein »Integrationsproblem« herbei
Natürlich geht es um die Vornamen. In der ersten Sitzung des Innenausschusses im neuen Jahr wollen die Ausschussmitglieder Konsequenzen aus der Silvesternacht diskutieren. Die brutalen Angriffe auf Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr beschäftigen nach wie vor die Öffentlichkeit; auch am Montagmorgen sprechen Polizeipräsidentin Barbara Slowik und Feuerwehrpräsident Karsten Homrighausen von einer neuen Dimension der Gewalt.
Doch statt mögliche Maßnahmen zu besprechen, schweift die Debatte immer wieder ab: zu den »Parallelgesellschaften« in »bestimmten Kiezen«, zu »patriarchalischen Strukturen in Teilen der Gesellschaft«, zu dem »Problem«, das man »benennen muss«. Und zu der CDU-Anfrage von vergangener Woche, welche Vornamen die Festgenommenen tragen. Wer die Sitzung verfolgt, erlebt vonseiten der AfD, der CDU und FDP ein Schaulaufen rassistischer Narrative.
Die Belege für das Geraune, wonach die Schuld für Angriffe bei migrantischen jungen Männern liegt, sind dünn. Laut »Tagesspiegel« stellte die Polizei klar, dass von den 145 Festgenommenen lediglich 38 Fälle in Zusammenhang mit den Attacken auf Einsatzkräfte stünden, von denen wiederum zwei Drittel deutscher Nationalität seien. Auf nd-Nachfrage konnte die Pressestelle der Polizei die Zahlen jedoch nicht bestätigen.
In der Ausschusssitzung betont Niklas Schrader, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, dass in migrantisch geprägten Vierteln natürlich Menschen mit Migrationshintergrund unter den Täter*innen seien – genauso wie unter den Betroffenen, den Ersthelfer*innen und den Einsatzkräften. »Wenn man anfängt, den Migrationshintergrund als Ursache für diese Vorfälle zu bezeichnen, da fängt der Rassismus an.« Wichtig sei deshalb ein Blick auf die gesamten Geschehnisse: »Mittlerweile diskutieren wir fast nur noch über Neukölln, aber es gab ja auch woanders Vorfälle.« Homrighausen bestätigt für die Feuerwehr, dass unter die Brennpunkte ebenso Gegenden wie Charlottenburg und Lichtenrade fielen. »Das hatte auch eine völlig neue Dimension, da wurden wir mit Eisenstangen bedroht.«
So unklar die Faktenlage ist, die Opposition hat bereits entschieden: Ursprung der Gewalt ist ein Integrationsproblem. Frank Balzer, innenpolitischer Sprecher der CDU, rechtfertigt die Vornamen-Anfrage seiner Partei als Dienst an der Wahrheit. »Die bisherige Politik, Themen nicht anzusprechen, zu verschweigen, zu relativieren, ist gescheitert«, behauptet er. Die FDP springt mit auf. Ihr innenpolitischer Sprecher Björn Jotzo hält zwar nicht viel von der Idee, anhand von Vornamen Politik zu machen, ist sich aber sicher: »Wir haben ein besonderes Problem mit bestimmten Bezirken.« Als Beleg zieht er Aussagen von Ahmad Mansour heran, der seit vergangener Woche den FDP-Wahlkampf als »Integrationsexperte« unterstützt. »Er heißt zwar mit Vornamen Ahmad, aber ich kann ihnen versichern, er ist sauber«, legt Jotzo noch einen drauf.
Besonders der CDU wird anschließend rechte Stimmungsmache vorgeworfen. »Wer so zündelt, braucht keine Brandmauer mehr nach rechts«, sagt Schrader. Sein Parteikollege Ferat Koçak erinnert an rassistische Anschläge in Neukölln oder Hanau, die von ebendiesen Geschichten über kriminelle Migranten befeuert würden.
Neben der Aufgabe, gegen die rechten Vorstöße der Opposition zu argumentieren, kommt die Debatte um tatsächliche Maßnahmen zu kurz. Innensenatorin Iris Spranger (SPD) nimmt die Silvesternacht zum Anlass, einmal mehr für die flächendeckende Einführung von Bodycams zu werben. Auf den Einwand von Schrader, dass Kameras bei Dunkelheit, dynamischem Geschehen und teilweise vermummten Menschen nicht viel gebracht hätten, geht sie nicht ein. Dafür plant sie zusätzlich auch die Einführung von sogenannten Dashcams, also Kameras, die in Einsatz- und Rettungsfahrzeugen angebracht werden.
Außerdem soll die Innenministerkonferenz unter Sprangers Präsidentschaft die Flexibilisierung des Sprengstoffgesetzs und eine Verschärfung des Waffengesetzes in Angriff nehmen. Grünen und Linken geht das nicht weit genug. Schrader etwa fordert einen radikalen Einschnitt im Verkauf von Pyrotechnik: »Das ist sinnvoller, als hinterher mit repressiven Mitteln die Brände zu löschen.«
Ganz andere Konsequenzen fordert hingegen die Opposition. Nicht nur »Integrationsunwillige«, auch Linke und Grüne mit ihrer ständigen Kritik an der Polizei seien verantwortlich für staatsfeindliche Gewalt. Die Berliner Polizeistudie hätte mit jedem Rassismusvorwurf gegen die Behörde aufgeräumt, Franco, Schrader und Co würden entgegen des Studienergebnisses Hetze betreiben, heißt es von Balzer und Jotzo. Jotzo empfiehlt Spranger gar ein Ende der Koalition. Eigentlich basiert die Polizeistudie auf der Annahme, dass überall, also auch in der Polizei, struktureller Rassismus eine Rolle spielt.
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