Pflichtgefühl mit Grenzen

Ulrike Henning über falschen Stolz bei motorisierten Senioren

Der 60-jährige Lastwagenfahrer, der am Donnerstag bei Magdeburg wegen plötzlich auftretender gesundheitlicher Probleme die Kontrolle über sein Fahrzeug verlor, starb wenig später im Krankenhaus. Ein solcher Fall ist zumindest in Bezug auf das Alter des Fahrers die Ausnahme. Die Unfallstatistik wird eher von Jüngeren bestimmt. Zudem wissen Unfallforscher, dass ältere Fahrer (und Fahrerinnen) Leistungseinbußen durchaus ausgleichen können – durch Vorsicht, Verzicht auf Fahrten bei Dunkelheit oder schlechtem Wetter. In jedem Einzelfall, erst recht bei solchen, in denen andere Menschen in Gefahr gebracht wurden, ist die Frage: Hätte das verhindert werden können?

Auf dem Verkehrsgerichtstag in dieser Woche in Goslar wandten sich Automobilverbände gegen eine Meldepflicht für nicht fahrgeeignete Personen. Verständlich, erlebt doch diese Art der Mobilität gerade reichlich Gegenwind. Da macht sich die Lobby gern für die Altnutzer stark. Freiwillige Reaktionstests und Sicherheitstrainings, ja gerne, heißt es. Allerdings müssten die Ergebnisse vertraulich bleiben. Wie weit mit dieser Art freiwilliger Selbstkontrolle zu kommen ist, weiß man aus anderen Politikbereichen.

Ärzte sehen die Gefährdung von Menschen mit Epilepsie, früheren Herzinfarkten oder Schlaganfällen bzw. mit einem hohen Risiko für solche Ereignisse. Sie empfehlen aber nur eine gründliche medizinische Aufklärung, auch den Besuch beim Augenarzt. Aber sie wollen ebenfalls eher keine Meldepflicht, wie sie etwa in Dänemark existiert. Bei »Gefahr im Verzug« könnten Ärzte trotzdem melden, wenn sie denn noch schnell genug sind.

So wird es leider dabei bleiben, dass verantwortliches Handeln einzelner oder auch ein falscher Stolz weiter über Leben und Tod – nicht nur bei den Unfallverursachern selbst – entscheiden.

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