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Traurige Normalität
Obdachlosigkeit zeigt, dass Sozialismus notwendig ist, meint Marten Brehmer
Während sich draußen der Berliner Winter mit Temperaturen um den Gefrierpunkt und diesigem Schneeregen ein letztes Mal aufbäumt, erinnert uns das Datum an jene, die bei solchen Witterungsbedingungen kein Dach über dem Kopf haben: Am 31. Januar veröffentlicht die Statistikbehörde jährlich die Zahl obdachloser Menschen in Deutschland. Bei Wind und Wetter können sie sich nicht in die warme Stube zurückziehen, sondern müssen in lauten U-Bahnhöfen oder unter Brücken campieren.
Außer jenen, die sich noch an den Staat auf deutschem Boden erinnern können, in dem es solche Zustände schlicht nicht gab, scheinen sich nur wenige daran zu stören, dass Jahr für Jahr wieder einige Obdachlose den Winter nicht überleben. 29 waren es mindestens in Berlin im Zeitraum 2016 bis 2021, rechnete die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosigkeit aus. Viele beruflich oder ehrenamtlich in der Wohnungslosenhilfe Engagierte kämpfen tagtäglich gegen diese traurige Normalität. Ohne diese Arbeit wäre die Lage wohl noch schlimmer.
Auch sie können aber die strukturellen Gründe für die Wohnungslosigkeit nicht beseitigen. Zu häufig müssen Menschen mit Sucht- oder psychischen Erkrankungen noch zu lange auf Therapieplätze warten. Zu weitmaschig ist das soziale Netz für diejenigen, die einmal in der Schuldenspirale gefangen sind. Vor allem aber: Der Markt wird weiter dabei versagen, die Ärmsten mit Wohnraum zu versorgen. An die von Obdachlosigkeit bedrohten Personengruppen zu vermieten, rechnet sich im Regelfall nicht. Appelle an das soziale Gewissen der Immobilienbesitzer können nur fruchten, wenn ein solches vorhanden ist. Darauf sollte man besser nicht bauen.
Es ist lobenswert, dass Sozialsenatorin Katja Kipping die Obdachlosigkeit bis 2030 mit einer besseren Versorgung mit Sozialwohnungen beenden will. Wahr aber bleibt: Solange ein Großteil des Wohnraums nach Profitlogik verwaltet wird, ist es nicht möglich, dieses Ziel zu erreichen.
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