Insekten auf dem Speiseplan

Nahrhafter als Steak: In der EU sind Hausgrillen und Käferlarven jetzt als neuartige Lebensmittel zugelassen

  • Elke Bunge
  • Lesedauer: 4 Min.

Mehlwürmer, Heuschrecken, Grillen oder Getreideschimmelkäferlarven auf unserem Speiseplan, das lässt bei den meisten von uns nicht gerade das Wasser im Mund zusammenlaufen. Unseren Ernährungsgewohnheiten ist diese Art von »Lebensmitteln« absolut fremd. Doch die Europäische Union hat die Tiere als neuartiges Lebensmittel zugelassen. Nachdem das Handeln und Verspeisen von gelben Mehlwürmern und Wanderheuschrecken bereits in den vergangenen beiden Jahren erlaubt wurde, dürfen nun auch die Getreideschimmelkäferlarve und Hausgrillen auf unseren Speiseteller.

Schon lange gehören für Millionen Menschen auf der Erde Insekten zu den täglichen Nahrungsmitteln. Bei den Neuerungen in der EU geht es nicht darum, die Palette fremdländischer Gerichte um eine Quiche aus Mehlwürmern, um Heuschrecken auf einem indischen Gemüsecurry oder in Schokolade getränkt als Dessert zu ergänzen. Die grundsätzliche Frage heißt: Wie ernähren wir die zehn Milliarden Menschen, die in naher Zukunft diesen Planeten bewohnen? Herkömmliche Wege und Mittel – besieht man aktuelle Hungersnöte und Ernteeinbußen aufgrund des Klimawandels – scheinen nicht auszureichen. Alternativen werden dringend gesucht, und das Verwenden von Insekten oder daraus hergestellten Produkten könnte eine der Optionen sein. Aus exotischen Delikatessen für wenige würde ein allgemeines Lebensmittel.

Gemäß einer neuen EU-Verordnung wird es möglich, künftig auch Insekten in einer Vielfalt europäischer Lebensmittel zu finden. Als Pulver sind sie nun in Produkten wie Backwaren, Nudeln oder in Pizzen ebenso erlaubt wie in Snacks, Chips oder bierähnlichen Getränken. In Fleischersatzprodukten dürfen bis zu 15 Prozent der Gesamtmasse aus Insektenmehl bestehen. Allerdings können solche Erzeugnisse dann nicht mehr als »vegan« bezeichnet werden.

Untersuchungen zeigen, dass der Nährwert der Krabbler den traditioneller Lebensmittel bei Weitem übersteigen kann. Die am 24. Januar in Kraft getretene EU-Verordnung zum Gebrauch neuartiger Lebensmittel listet auf, welche Effekte von den neuartigen Lebensmitteln zu erwarten sind. So zeigt die Energiebilanz getrockneter Mehlwürmer folgende Verteilung: 56 Prozent entfallen auf enthaltene Fettanteile, 39 Prozent auf Proteine. Kohlehydrate sind mit lediglich zwei Prozent vertreten. Die restlichen drei Prozent entfallen auf Ballaststoffe. Die Bilanz anderer Insekten zeigt ähnliche Werte. Einige liefern doppelt so viele Eiweiße wie Rinder- oder Hühnerfleisch. Selbst Nüsse und Getreide werden von Insekten als Proteinlieferanten deutlich übertroffen.

Gemäß der neuen Verordnung dürfen die ausgewählten Insekten – dazu gehören auch die Larven des Getreideschimmelkäfers – in verschiedensten Konzentrationen in den Lebensmitteln vorhanden sein. So können Paste oder Pulver der genannten Larven zu 25 Prozent in Getreideriegeln, zu 20 Prozent in Brot oder Brötchen, zu 15 Prozent in getrockneten Suppen und zu zehn Prozent in Nudeln enthalten sein. Als Paste dürfen sie sogar 28 Prozent der Massen von gefüllten Teigwaren ausmachen.

Die großen Vorteile gegenüber klassischer Tierhaltung sind, dass die Insektenaufzucht wesentlich weniger Platz benötigt als Ställe und Flächen normalerweise. Insekten kann man in stapelbaren Boxen auch in urbanen Räumen züchten, kurze Wege zum Verarbeiter wären möglich. Des Weiteren verbrauchen die Larven deutlich weniger Futter. Man rechnet, dass mit zwei Kilogramm Futter ein Kilogramm Insekten gezüchtet werden könnte. Ein weiterer Umweltvorteil ergäbe sich aus dem geringen Ausstoß schädlicher Klimagase bei der Insektenhaltung.

Doch wo finden wir künftig Angaben über Insektenpaste oder -pulver in Lebensmitteln? Die Kennzeichnungspflicht nach den EU-Vorgaben ist bislang eher vage. Die Verordnung sieht keine besonders auffälligen Hinweise auf Verpackungen vor. Man findet die Insektenbestandteile eher in den kleingedruckten Listen der Zutaten und Zuschlagsstoffe, auf die Verbraucher dann noch mehr achten müssten. Dies betrifft vor allem Menschen, die auf Krustentiere oder Hausmilben allergisch reagieren. Untersuchungen zeigten, dass diese Klientel dazu neigt, auf Insekten – in welcher Form auch immer – allergisch zu reagieren. Da die gerade zugelassenen Lebensmittel noch nicht breit in den Markt eingeführt sind, mangelt es an Studien zu möglichen gesundheitlichen Risiken. Zumindest haben die EU-Verantwortlichen bei einigen Produkten empfohlen, diese nicht an Konsumenten unter 18 Jahren abzugeben.

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