- Berlin
- Wiederholungswahl
Noch einmal gut gegangen
Die Linken der Linken sind trotz vorangegangener Befürchtungen wieder im Parlament
Er sei ein Pessimist, sagt Niklas Schenker. Bis er es schwarz auf weiß hatte, habe er mit seiner Freude noch im Zaum gehalten. Um sieben Uhr morgens hat der Landeswahlleiter dann die Liste der Gewählten veröffentlicht. »Wahrscheinlich ärgert sich die FDP auch, dass es durch ihr schlechtes Abschneiden dafür gereicht hat, dass ich weiter im Abgeordnetenhaus für eine gerechte Mietenpolitik streiten werde«, freut sich Schenker gegenüber »nd« als er nicht mehr um den Wiedereinzug bangen muss.
Dass die FDP an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert ist, begünstigt neben den geringen Verlusten der Linken, dass auch die hinteren Plätze auf der Landesliste trotz Stimmverlusten wieder im Parlament vertreten sind. Das war alles andere als sicher. Gebangt wurde nicht nur um den Wiedereinzug von Mietenexperte Schenker, der ein Bindeglied seiner Partei zu Mieterinitiativen wie »Deutsche Wohnen & Co enteignen« ist. Auch für Niklas Schrader, dem Innenpolitiker der Linksfraktion, der zuletzt in der Silvesterdebatte als wahrnehmbares Gesicht der Partei gegen Law and Order Stellung bezog, stand der Wiedereinzug auf der Kippe – wäre die Berliner Linke dem Abwärtstrend der Partei im Bund gefolgt. Schrader stand auf Platz 17 der Landesliste, Schenker auf Platz 19. Weil es eben eine Wiederholung der Wahl war, konnten die Listen auch nicht neu aufgestellt werden.
Dazu gibt es in nicht allzu weiter Ferne wieder die Gelegenheit. 2026 finden die nächsten regulären Abgeordnetenhauswahlen in Berlin statt. »Gerade auch jene Linke, die eng mit Initiativen zusammenarbeiten, haben einen Rückhalt«, so Niklas Schenker. Linke-Politikerin Elif Eralp erzählt, dass auch in ihrem Kreuzberger Wahlkreis viele den Charlottenburger Schenker kennen würden und er auch dort als »eine Stimme für die Mieter*innenbewegung und für die Umsetzung des Volksentscheides« gesehen werde.
Sie wünsche sich aber nicht nur stärker in Bewegungen verankerte Linke auf der Landesliste, sondern vor allem auch mehr Menschen mit Migrationsgeschichte, sagt Eralp, die selbst auf dem vorderen Listenplatz sieben stand. »Nach mir kam nur noch Ferat Koçak, und Hakan Taş auf einem nicht so aussichtsreichen Platz, das geht eigentlich nicht«, sagt Eralp zu »nd«. Sie verweist auf die Zielvereinbarung der Landespartei, in der – ohne konkreten Zeitraum – verabredet wurde, die Diversität der Gesellschaft abbilden zu wollen.
Anschauen müsse man sich auch die Bezirke, ergänzt Schenker. In Neukölln, Friedrichshain-Kreuzberg und auch im Treptower Norden wäre Die Linke stark gewesen. In Neukölln unterlag Jorinde Schulz für Die Linke mit über 30 Prozent knapp der grünen Direktkandidatin Susanna Kahlefeldt, holte aber das beste prozentuale Erststimmenergebnis ihrer Partei. Für ein Direktmandat gereicht hat es indes nur für Sebastian Schlüsselburg und Hendrikje Klein in ihren Lichtenberger Wahlkreisen, für Damiano Valgolio in Friedrichshain und für Katalin Gennburg in Treptow.
Valgolio konnte sich wie schon 2021 gegen die frühere Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) durchsetzen. Schon sein Gewinn des Direktmandats vor anderthalb Jahren kam überraschend. Denn Friedrichshain-Kreuzberg ist in den anderen Wahlkreisen eine sichere Bank für die Grünen.
Im Treptower Norden konnte außerdem Linke-Stadtentwicklungspolitikerin Katalin Gennburg das Direktmandat in ihrem Wahlkreis, der noch 2015 als für Die Linke verloren galt, verteidigen. Schon nach der Chaos-Wahl 2021 erklärte sie ihren Erfolg unter anderem damit, dass sie sich auch gegen Regierungsvorlagen des Bündnisses aus SPD, Linken und Grünen gestellt hatte und mit ihrem aufwendigen Haustürwahlkampf. Auch dieses Mal hat eine große Gruppe an Aktiven die parteilinke Stadtentwicklungspolitikerin an den Haustüren unterstützt. Auch wenn sie in ihrer Partei manchmal aneckt, bei den Wählern scheint ihr radikaler Kurs gut anzukommen.
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