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Warme Worte statt Kampfjets

Verteidigungsministertreffen der Nato-Staaten beschließt Stärkung der Ostflanke des Bündnisses und hält sich mit Zusagen an Kiew zurück

  • Fabian Lambeck, Brüssel
  • Lesedauer: 4 Min.

»Die Nato verstärkt ihre Unterstützung für die Ukraine, während sie gleichzeitig die Abschreckung und die Verteidigung weiter stärkt«, erklärte Generalsekretär Jens Stoltenberg am Mittwoch nach dem Treffen der Nato-Verteidigungsminister in Brüssel. Doch zumindest der erste Teil seiner Aussage darf bezweifelt werden.

In der vergangenen Woche hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyi bei seinen Besuchen in London, Paris und Brüssel eindringlich um weitere Waffenlieferungen gebeten, vor allem um Kampfjets. Doch die Nato-Verteidigungsminister zeigten der Ukraine vorerst Grenzen auf. Moderne Kampfflieger aus westlicher Produktion wird es in absehbarer Zeit nicht geben. Zwar erklärte die niederländische Verteidigungsministerin Kajsa Ollongren, ihr Land könne sich vorstellen, F-16-Kampfflugzeuge zu liefern, jedoch müsse man das zuerst mit Partnern wie den USA »diskutieren«.

Washington aber zögerte bislang, wenn es um die Lieferung von modernen Panzern, Kampfflugzeugen oder Munition mit größerer Reichweite ging. Die Ukraine darf den Krieg nicht verlieren, aber auch nicht gewinnen, scheint dort das Kalkül zu sein. Geostrategisch haben die US-Amerikaner ohnehin erreicht, was sie wollten: Russland ist von Westeuropa isoliert, die Achse Berlin-Moskau stillgelegt.

Da passt es ins Bild, dass auch die Lieferung der Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 nicht in dem Umfang erfolgen wird, wie die Ukraine sich das wünscht. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) bestätigte in Brüssel, dass von der modernsten Variante des Leopards ganze 17 Stück für den Export ins Kriegsgebiet zur Verfügung stünden. 30 Stück von der älteren Variante A4 sind unter polnischer Führung zusammengekommen. Pistorius erwartet, dass ein Großteil der Leoparden Anfang April im Kriegsgebiet sein wird. Angesichts der bereits angelaufenen russischen Offensive könnte das zu spät sein.

Ohnehin ist der Leopard kein Game-Changer an der Front, wenn er in zu geringer Stückzahl kommt. Der ukrainische Militärberater Juri Sak erklärte gegenüber dem US-amerikanischen Sender CNBC, dass Kiew »etwa 300 bis 400 Panzer benötigt, um die russische Verteidigung zu durchbrechen«.

Mehr und mehr könnte sich der Munitionsmangel in westlichen Depots auf den Krieg auswirken. Offenbar haben viele Nato-Staaten große Probleme, genügend Nachschub zu organisieren und für die eigenen Bündnisverpflichtungen vorzuhalten, wie sich auf dem Gipfel zeigte. Dabei ist die Ukraine auf Lieferungen der Nato-Länder angewiesen und verfeuert im Augenblick mehr, als nachproduziert werden kann.

Deshalb haben sich die Minister in Brüssel darauf verständigt, die Produktion hochzufahren. Deutschland und Frankreich haben mit ihren Rüstungskonzernen bereits entsprechende Vereinbarungen geschlossen. So bestellte die Bundesregierung bei Rheinmetall neue Munition für die Gepard-Flugabwehrpanzer, von denen mehr als 30 Stück in der Ukraine im Einsatz sind. Dazu baut der Rüstungskonzern eine neue Produktionslinie in Deutschland auf. Bislang wurde das sogenannte Mittelkaliber in der Schweiz hergestellt, diese lehnt es mit Verweis auf ihre Neutralität ab, die Geschosse für die Ukraine bereitzustellen.

Gleichzeitig erklärte Bulgarien, zukünftig keine Munition mehr liefern zu wollen. Dabei ist das Land einer der wichtigsten Nachschub-Lieferanten für die sowjetischen Waffensysteme der Ukraine. Bulgarien verfügt über große Bestände an sowjetischer Munition und lieferte diese erst verdeckt, dann offen an die Ukraine. Wie das Portal »Euractiv« am Donnerstag meldete, soll Verteidigungsminister Dimitar Stojanow erklärt haben, keine Waffen mehr ins Kriegsgebiet ausführen zu wollen. Dabei hatte Generalsekretär Stoltenberg alle Mitglieder beschworen, auch weiterhin Munition für die Ukraine bereitzustellen.

In Brüssel konnte die Allianz jedoch auch »Erfolge« verkünden: So soll die Zahl der Soldatinnen und Soldaten »in hoher Einsatzbereitschaft« von 40 000 auf 300 000 steigen, um die Ostflanke des Bündnisses zu stärken. Und auch wenn der Beitritt von Schweden und Finnland wegen der Blockadehaltung Ungarns und der Türkei noch nicht vollzogen ist, integriert man beide Armeen weiter in die militärischen Strukturen der Allianz. Nach Finnland hat sich nun auch Schweden der von Deutschland koordinierten European Sky Shield Initiative (ESSI) angeschlossen. Damit sind jetzt 17 Länder Teil der gemeinsamen Luft- und Raketenverteidigung der Nato.

Weil all das viel kostet, soll das Zwei-Prozent-Ziel der Nato verschärft werden. Die derzeitige Vereinbarung sieht vor, dass die Mitglieder bestrebt sein sollen, bis 2024 rund zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung in die eigene Kriegsmaschinerie zu pumpen. »Sich allein dem Zwei-Prozent-Ziel annähern zu wollen, wird nicht reichen«, sagte der Bundesverteidigungsminister in Brüssel. »Das muss die Basis sein für alles Weitere.«

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