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  • Brand in Geflüchtetenunterkunft

Tod einer Geflüchteten: Hintergrund des Brandes weiter unklar

Bewohnerin nach einem mutmaßlichen Brandanschlag auf Geflüchtetenwohnungen gestorben

Ein Brand und eine Tote. Kaum mehr ist über die mutmaßliche Brandstiftung in einer Geflüchtetenunterkunft in Pankow und die vor elf Tagen verstorbene Bewohnerin bekannt. Nachdem Ende Januar das Treppenhaus des Gebäudes in Flammen stand, veröffentlichten am Wochenende Aktivist*innen die Nachricht vom Tod einer syrischen Frau. Die Nachricht rüttelt auf: War es ein rechtsextremer Anschlag auf das Wohnhaus in der Bahnhofstraße? Und warum wurde der Tod der Geflüchteten erst jetzt bekannt?

Am 25. Januar gegen 17 Uhr brannten 30 Quadratmeter eines Treppenhauses in einem viergeschossigen Mehrfamilienhaus. Das teilte die Berliner Feuerwehr noch am selben Abend mit. »44 Personen des Hauses wurden durch unseren Rettungsdienst gesichtet und in einem Evakuierungs-Bus betreut. 2 davon mussten ins Krankenhaus«, heißt es weiter. Da das Haus nach dem Feuer unbewohnbar war, wurden die Betroffenen anderweitig untergebracht. Für die mehrheitlich Geflüchteten unter den 44 Bewohner*innen stellte das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) temporäre Schlafplätze bereit.

Auf nd-Nachfrage teilt das LAF mit, es habe die Leute »nur für ein paar Tage nach der Havarie« in dem Ukraine-Ankunftszentrum in Tegel aufgenommen. Auch stellt es klar, dass die Wohnungen in Pankow nicht zu den LAF-Unterbringungen gehörten, sondern den Geflüchteten von der sozialen Wohnhilfe des Bezirkes zur Verfügung gestellt worden waren. Als sogenannte ASOG-Unterbringung nach dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz dienen sie wohnungslosen Geflüchteten mit sicherem Aufenthaltsstatus als Wohnort.

Am Tag nach dem Brand meldete die Deutsche Presse-Agentur, dass die Polizei wegen schwerer Brandstiftung ermittele. Nach Polizeiangaben hätten zwei Kinderwagen in Flammen gestanden; wo genau das Feuer ausbrach, werde noch untersucht. Zu einer möglichen politischen Motivation lägen noch keine Informationen vor.

Darauf folgte lange nichts. Erst am Wochenende, dreieinhalb Wochen nach dem Brand, machten Aktivist*innen auf Twitter den Tod einer Bewohnerin öffentlich. Bereits am 10. Februar soll die syrische Geflüchtete ihren Verletzungen erlegen sein. Der Journalist Tarek Baé identifizierte die Verstorbene als Mutter von sechs Kindern und verlinkte ein Spendenkonto, um für die Hinterbliebenen Geld zu sammeln. Er und andere Twitter-Nutzer*innen empörten sich in dem sozialen Netzwerk über fehlende Transparenz und mangelndes Interesse der Politik und Medien. Warum wurde der Tod erst nach einer Woche publik? Und wo bleibt der Aufschrei?

Auch Elif Eralp, migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, beklagt die schlechte Kommunikation. »Die Öffentlichkeit muss jetzt sofort aufgeklärt werden. Es ist nicht nachvollziehbar, dass so viel Zeit ohne Aufklärung vergangen ist.« Noch sei nicht klar, wer mit welcher Motivation hinter der mutmaßlichen Brandstiftung stecke. »Aber natürlich muss auch in Richtung einer rassistischen Tatmotivation ermittelt werden«, fordert Eralp.

Das Bezirksamt Pankow wusste ebenfalls bis zum Wochenende nicht über den Tod Bescheid. Obwohl es die ASOG-Wohnungen anmietet und vermittelt, hat es keinen Anspruch darauf, den Gesundheitszustand der Bewohner*innen abzufragen. Außerdem wurden die beiden verletzten Personen, unter ihnen die Verstorbene, laut internen Informationen nach zwei Tagen aus dem Krankenhaus entlassen. Demnach ist zusätzlich unklar, ob die syrische Frau tatsächlich an den erlittenen Verletzungen, Spätfolgen oder aus anderen Gründen starb.

Die Innenverwaltung bestätigt auf nd-Nachfrage den Tod der Frau. Pressesprecher Thilo Cablitz sagt, er habe ebenfalls erst am Samstag die Nachricht vom Tod erhalten. »Es ist klar, dass wir nicht sofort Kenntnis bekommen, weil wir nicht ermitteln«, so Cablitz. Dafür sei momentan das Brandkommissariat zuständig. Für eine politische Motivation gebe es nach wie vor keine Hinweise. »Der Staatsschutz wurde gleich mit einbezogen. Wenn die Ermittlungen etwas Neues ergeben, wird er sofort darüber informiert.« Am Montagnachmittag verschickte dann auch die Polizei eine verspätete Pressemitteilung zu dem Tod der Bewohnerin. Bis auf das Alter der 43-jährigen Verstorbenen lieferte sie keine weiteren Details zu ihrer Identität. Zudem hieß es auch hier: »Bislang liegen keine Anhaltspunkte für eine politische Tatmotivation vor.«

Nora Brezger, Sprecherin des Berliner Flüchtlingsrates, möchte nicht über die Hintergründe des Brandes spekulieren. Doch um Geflüchteten ganz allgemein einen sicheren Ort zum Leben zu ermöglichen, müsse der Zugang zu Wohnraum dringend verbessert werden. »Wir haben die Entlassung aus der Wohnpflicht, das ist schon mal gut«, bezieht sich Brezger auf die neue Landesregelung, die es seit 2023 Menschen erlaubt, noch im laufenden Asylverfahren aus den Unterbringungen auszuziehen. Doch viele blieben in den Heimen, weil sie keine Alternative fänden.

Außerdem beobachtet Brezger eine stärker werdende Hetze gegen Geflüchtete und Migrant*innen. »Das Framing ist wieder extrem hart geworden«, bezieht sie sich etwa auf die von der CDU angefachte Silvester-Debatte, als Bundesparteichef Friedrich Merz migrantische junge Männer »kleine Paschas« nannte. »Sie behaupten, dass die alle nicht integriert wären, während bei Reichsbürgern niemand über deren fehlende Integration spricht«, so Brezger.

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