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Kein Ort für Gerechtigkeit
Jana Frielinghaus zum Agieren der Verfassungsrichter im Fall Jalloh
Seit 18 Jahren schallt es immer wieder durch die Straßen von Dessau: »Oury Jalloh – das war Mord«. Und in der Tat: Die von Freunden und Angehörigen sowie ihren Unterstützern und Anwältinnen zusammengetragenen Beweise und Indizien sind erdrückend. Der Geflüchtete aus Sierra Leone wurde vor seinem Feuertod am 7. Januar 2005 schwer misshandelt und war deswegen nicht bei Bewusstsein, als er, gefesselt auf einer feuerfesten Matratze liegend, mit Hilfe von Brandbeschleuniger angezündet wurde. Selbst der Kreis der als Täter in Frage kommenden Personen lässt sich stark eingrenzen.
Das hatte im April 2017 auch der damalige leitende Staatsanwalt nicht mehr abstreiten können. Und in einem Schreiben an höhere Justizbehörden konkrete Verdächtige benannt, die seiner Überzeugung nach mit dem Mord auch vorangegangene Straftaten vertuschen wollten. Zudem liegen mehrere forensische und Brandgutachten vor, die die schweren Verletzungen Jallohs und die Unmöglichkeit der Selbsttötung belegen.
Trotzdem lehnte die Staatsanwaltschaft Halle ein neues Ermittlungsverfahren mit geradezu hanebüchenen Begründungen ab, höhere Instanzen bestätigten ihre Entscheidung. Und nun also auch das oberste Verfassungsgericht. Vor allem die Begründung der Klageabweisung ist blanker Hohn gegenüber den Hinterbliebenen. Unter anderem heißt es darin, der Kläger habe keine konkreten Verdächtigen benennen können. Dabei gibt es die sehr konkrete Einschätzung des genannten Staatsanwalts seit sechs Jahren. Trotz sicher formaler Unangreifbarkeit: Die Entscheidung zeigt, dass auch im höchsten Gericht die Interessen von Staatsdienern über den Grundrechten von Geflüchteten, Migranten und Marginalisierten stehen.
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