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  • Serie »Carnival Row«

Flugverbot für Feen

Die Fantasy-Serie »Carnival Row« entwirft eine diverse und magische Welt voll politischer Kämpfe

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 3 Min.
Kommissar Rycroft Philostrate (Orlando Bloom) führt eine Liebesbeziehung mit der vom Polizeiapparat mit Hochdruck gesuchten Fee Vignette Stonemoss (Cara Delevingne).
Kommissar Rycroft Philostrate (Orlando Bloom) führt eine Liebesbeziehung mit der vom Polizeiapparat mit Hochdruck gesuchten Fee Vignette Stonemoss (Cara Delevingne).

Neben den teuer produzierten und für die Streaming-Plattformen so werbewirksamen Fantasy-Serien wie »House of the Dragon« und »Die Ringe der Macht«, die in einem fiktiven Spätmittelalter angesiedelt sind, erfreuen sich auch Fantasy-Erzählungen aus dem Subgenre des Steampunk derzeit großer Beliebtheit. Die spielen für gewöhnlich in einem futuristisch angehauchten, zumeist viktorianischen 19. Jahrhundert mit jeder Menge Gothic Chic, bürgerlichen Lebenswelten, proletarischer Alltagskultur – und sie stecken voller Magie und politischer Kämpfe. Auch wenn für einige eingefleischte Fans dieses Genres zuletzt die popfeministische Steampunk-Serie »The Nevers« als Highlight galt, wurde sie von HBO im Dezember überraschend abgesetzt. Bei Netflix startet aber im März die zweite Staffel der aufwendig verfilmten »Shadow and Bone«-Romanreihe und auf Amazon ist nun die zweite und finale Staffel der starbesetzten Serie »Carnival Row« zu sehen. Die bietet eine ganz besondere Mischung aus Krimi und Horror, in der Fabelwesen mit kolonialer Vergangenheit auftauchen, Magie ebenso wie urbane Subkulturen eine große Rolle spielen, aber vor allem die Kämpfe gegen rassistische Unterdrückung und kapitalistische Ausbeutung im Vordergrund stehen.

In der stark an London erinnernden Stadt Burge kämpfen militante Feen und Faune unter anderem mit Molotowcocktails gegen die rassistische, klassistische und kolonialistische Herrschaft der Menschen. Die wiederum liegen im Krieg mit einer anderen Großmacht, die aber einen Frieden aushandelt, um gegen eine proletarische Revolution im eigenen Land zu kämpfen. Überall verschärfen sich die politischen Gegensätze: Die Rassisten mobilisieren auf breiter Front gegen alle magischen Lebewesen, die Unternehmerfraktion befürchtet, die rassistische Segregation und der daraus resultierende Mangel an billigen Arbeitskräften könne ihre Produktion gefährden und die politische Klasse thront abgehoben in der eigenen Blase. Mitunter wirken diese politischen Konfliktlinien auch etwas zu holzschnittartig. »Carnival Row« inszeniert dabei aber gekonnt Klassenunterschiede vor allem in Form unterschiedlicher Stadtviertel als buntes urbanes Spektakel. So wird das Titel gebende Viertel, die »Row«, wie ein Ghetto abgesperrt, inklusive Stacheldrahtzaun zwischen den Hausdächern, um das Flugverbot für magische Wesen durchzusetzen. Die werden nicht nur immer mehr Zielscheibe rassistischer Gewalt, sondern organisieren sich auch zunehmend als militante politische Bewegung. Mittendrin und zwischen den Stühlen sitzt der vom Dienst suspendierte Kommissar Rycroft Philostrate (Orlando Bloom), der mittlerweile eine Liebesbeziehung mit der vom Polizeiapparat mit Hochdruck gesuchten Fee Vignette Stonemoss (Cara Delevingne) führt.

»Carnival Row« liegt im Gegensatz zu vielen anderen Fantasy-Serien- und -Filmen keine literarische Vorlage zugrunde. Das ursprüngliche Drehbuch von Travis Beacham, der auch als ausführender Produzent der Serie fungiert, war eigentlich als Spielfilm konzipiert und schaffte es auf die seit 2005 geführte, jährlich aktualisierte »Black List«, auf der noch nicht verfilmte und zum Teil hoch gehandelte Drehbücher aufgelistet werden. Die erste Staffel startete 2019 kurz nach dem Ende der »Game of Thrones«-Serie, als im Bereich der Fantasy-Serie Goldgräberstimmung herrschte. Die Mischung aus Gewalt, Splatter, Sex und Politik ist auch nicht ganz unähnlich wie bei der HBO-Erfolgsserie. Wegen der Covid-Pandemie verzögerte sich die zweite Staffel, die ursprünglich schnell folgen sollte. Nun wird das Projekt komplett beendet. Wobei diese zweite Staffel mitunter auch etwas bemüht wirkt. Lebte die erste Staffel vor allem von einem spannenden Krimiplot, der in ganz unterschiedliche Handlungsstränge ausfranste, ist die zweite Staffel etwas zu sehr mit der dramaturgischen Umsetzung des durchaus beachtlichen World Building beschäftigt. Außerdem gibt es hier immer wieder zu viele sich prügelnde Männer. Auch Orlando Blooms breitbeinig-machohaftes Gehabe nervt mitunter ziemlich. Dennoch bietet die Serie eine faszinierende Fantasy-Welt, deren politische Konflikte zwar fast etwas zu nah an unserer Wirklichkeit dran sind, aber eine sehr diverse und vor allem kämpferische Bewegung gegen rassistische Unterdrückung und kapitalistische Zwänge in Szene setzt.

»Carnival Row«: Staffel zwei auf Amazon Prime

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