Revolution im Seerecht

UN-Konferenz ermöglicht Ausweisung von Schutzgebieten in der Hochsee

  • Christian Mihatsch
  • Lesedauer: 4 Min.

Konsens durch Erschöpfung – diese altbewährte Methode der internationalen Umweltdiplomatie hat erneut zum Erfolg geführt. Am Samstagabend war in New York ein Abkommen ausverhandelt, das einen besseren Schutz der Hochsee ermöglicht. »Das Schiff hat die Küste erreicht«, sagte Konferenzpräsidentin Rena Lee nach einem 38-stündigen Verhandlungsmarathon am Schluss der zweiwöchigen Konferenz.

In dieser wurde ein Abkommen zur Implementierung der UN-Seerechtskonvention (UNCLOS) ausgehandelt, das erstmals die Möglichkeit schafft, Gebiete in der Hochsee unter Schutz zu stellen und dort Fischfang oder Unterwasserbergbau zu verbieten. Die Hochsee umfasst alle Meeresgebiete außerhalb der 200-Meilen-Zone (370 Kilometer) und macht zwei Drittel der Meeresfläche und knapp die Hälfte der Erdoberfläche aus. Bislang war dort die Ausweisung von Schutzgebieten nicht möglich, da weder das Gewohnheitsrecht noch UNCLOS dafür eine Rechtsgrundlage boten.

Das neue Abkommen ermöglicht es, ein Artenschutzabkommen umzusetzen, das im vergangenen Dezember verabschiedet wurde. Dieses hat zum Ziel, bis zum Jahr 2030 Schutzgebiete auszuweisen, die 30 Prozent der Land- und Meeresfläche des Planeten abdecken. Ohne die Möglichkeit, auch Gebiete in der Hochsee unter Schutz zu stellen, wäre dieses Ziel auf See aber rein rechnerisch kaum zu erreichen gewesen. »Dies ist ein historischer Tag für den Naturschutz und ein Zeichen dafür, dass in einer geteilten Welt der Schutz der Natur und der Menschen über die Geopolitik triumphieren kann«, sagte Laura Meller von der Umweltorganisation Greenpeace.

Das neue Abkommen muss auf einer Folgekonferenz noch formell verabschiedet werden. Es tritt in Kraft, sobald 60 Länder es ratifiziert haben. Anschließend kann auf Konferenzen der Vertragsparteien entschieden werden, wo die neuen Schutzgebiete entstehen sollen. Entscheidend ist hier, dass dafür kein Konsens erforderlich ist, sondern Abstimmungen möglich sind. So kann nicht ein einzelnes Land ein Schutzgebiet verhindern.

Der größte Knackpunkt war die Aufteilung der Gewinne aus der Nutzung genetischer Ressourcen im Meer. Bislang sind rund 230 000 Tier- und Pflanzenarten im Meer bekannt, aber wahrscheinlich gibt es mehrere Millionen Arten. Das Erbgut der noch unbekannten Arten könnte den Schlüssel für die Entwicklung neuer Medikamente enthalten und daher sehr wertvoll sein. Doch die Erforschung der Tiefsee ist kostspielig und wird daher nur von den reichen Ländern betrieben.

Aus Sicht der Entwicklungsländer sind die Hochsee und die dortige Artenvielfalt aber »ein gemeinsames Erbe« der Menschheit und daher forderten sie, von der Kommerzialisierung der genetischen Ressourcen ebenfalls finanziell zu profitieren. Wie genau dieses Problem schließlich überwunden werden konnte, war direkt nach Abschluss der Konferenz aber noch unklar, weil der Text noch nicht veröffentlicht wurde.

Ein weiterer Knackpunkt waren Umweltverträglichkeitsprüfungen für Aktivitäten, die potenziell eine Gefahr für die Artenvielfalt im Meer darstellen, wie etwa Unterwasserbergbau. Der Meeresboden ist an manchen Stellen reich an verschiedenen Metallen wie Mangan und Firmen aus einigen Ländern wollen diese Vorkommen ausbeuten. Dabei wird allerdings viel Sand aufgewirbelt, was eine Gefahr für manche Arten darstellen kann. Aus diesem Grund fordern viele Staaten ein Moratorium für den Unterwasserbergbau.

Die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA) hat allerdings nicht die Möglichkeit, Anträge für Abbaulizenzen pauschal abzulehnen. Indem das neue Abkommen verpflichtende Umweltverträglichkeitsprüfungen für derartige Aktivitäten schafft, ist die ISA nun besser in der Lage, Umweltaspekte bei der Vergabe von Abbaulizenzen zu berücksichtigen. Wie genau die Regeln für diese Prüfungen aussehen, lässt sich aber mangels Texts noch nicht sagen.

Im Gegensatz zu vielen anderen UN-Umweltkonferenzen war Geld bei den soeben beendeten Verhandlungen nur ein Nebenthema. Die EU hat 40 Millionen Euro zugesagt, um ärmere Länder bei der Ratifizierung und Umsetzung des neuen Abkommens zu unterstützen. Zudem wurden bei einer anderen Konferenz, die ebenfalls am Samstag zu Ende ging, weitere Gelder zugesagt: Die EU investiert dieses Jahr 816 Millionen Euro in die Erforschung der Meere und die USA stellen knapp sieben Milliarden Dollar für einen nicht näher spezifizierten Zeitraum zur Verfügung. Zudem sind einige große, wohltätige Organisationen im Meeresschutz aktiv. Sobald das neue Abkommen in Kraft tritt, sollten daher relativ schnell signifikante Fortschritte beim Schutz der Meere möglich sein.

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